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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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habt, die Befugnis gegeben, euch jedwede Hilfe zuzusagen. Zugleich aber hat er geahnt, dass Oldrich sich mit einem Nein nicht zufrieden geben würde. Darum hat er noch etwas getan.«
    Saga neigte den Kopf. »Dich hergeschickt?«
    Karmesin nickte. »Ich bin nicht als Spionin hier, Saga, auch wenn ihr alle das glaubt. Ich bin hier, um dich zu beschützen.«
    »Warum hast du mich nicht gewarnt?«
    »Ich kannte dich nicht, und ich wusste nicht, ob du womöglich deine Sachen packen und verschwinden würdest. Das durfte ich nicht zulassen.«
    »Du hast in Kauf genommen, dass er mich umbringt?« »Ich wusste, dass ihm das nicht gelingen würde.« »So?«
    »Die Karmesin ist nicht nur Konkubine. Wir verstehen uns auf viele Dinge. Dieser Mann hatte nie eine Chance.«
    »Was bist du noch? Geliebte des Papstes, Leibwächterin … auch Attentäterin?«
    Karmesin sah nun beinahe verlegen aus. »Ich bin nicht Innozenz’ Geliebte. Gesellschafterin trifft es wohl besser.«
    Jorinde hatte stumm zugehört, hin- und hergerissen zwischen Abscheu und Faszination. Saga erwartete, dass sie sich auf Karmesins Seite stellen und ihr Handeln verteidigen würde. Doch die junge Adelige war schwerer zu durchschauen, als Saga geglaubt hatte. Jorindes Miene verfinsterte sich, als sie sich an die Konkubine wandte. »Saga hätte jetzt tot sein können.«
    »Darum bin ich hier. Damit sie nicht tot ist.«
    »Schau sie dir an! Viel hätte nicht gefehlt, und sie –«
    Karmesin nickte. »Ja, und das tut mir leid. Er hätte niemals so nah an dich herankommen dürfen. Aber wie hätte ich wissen sollen, dass du dich mitten in der Nacht auf dem Mast herumtreibst? Wärst du in deiner Kabine geblieben, du hättest ihn wahrscheinlich nicht einmal zu sehen bekommen.«
    Jorinde schüttelte erbost den Kopf. »Saga hätte sterben können, weil du sie nicht gewarnt hast.«
    Karmesin schwieg. Ihr Blick kreuzte wieder den Sagas. »Du lebst noch, darauf kommt es an. Und du wirst diese Mädchen ins Heilige Land führen.
    »Gibt es noch mehr wie ihn?«, fragte Saga. »Noch mehr Attentäter?«
    »Falls es wirklich noch jemand auf dein Leben abgesehen hätte, dann –«
    »Müsste er bereits hier an Bord sein«, beendete Saga den Satz. Ihre Stimme war schwach und monoton, ihre Gedanken woanders.
    »Ja.«
    Jorinde stieß schneidend die Luft aus, drehte sich auf der Stelle herum und stürmte vom Achterdeck.
    »Was hat sie?«, fragte Karmesin erstaunt.
    »Wahrscheinlich ist ihr gerade erst klar geworden, wen sie da in ihre Kabine eingeladen hat.«
    »Ich habe sie nicht angelogen.«
    »Vielleicht hat sie sich selbst etwas vorgemacht.«
    »Über mich?«
    »Über sich selbst. Darüber, was sie gern wäre, wenn sie … nicht Jorinde wäre.«
    Karmesin schüttelte verständnislos den Kopf. Sie überspielte ihre Verunsicherung mit einem Lächeln.
    »Wie wird es nun weitergehen?«, fragte Saga.
    »Ich bleibe an Bord und passe auf dich auf.«
    Saga warf einen Blick hinüber zu ihren vier Leibwächterinnen, zwei auf dem Achterdeck, zwei auf der Treppe. »Als gäbe es hier nicht genug Leute, die mich den ganzen Tag anstarren.«
    Karmesin schüttelte den Kopf. »Ich beobachte nicht dich, sondern alle anderen. Das ist der Unterschied.«
    Saga sah an den vier Kriegerinnen vorbei aufs Hauptdeck. Dutzende Ruderknechte waren von hier aus zu erkennen, und es gab noch zahllose mehr. Wie wollte Karmesin sie alle im Auge behalten?
    »Eine Frage noch.«
    »Sicher.«
    »Violante wollte dich auf einem der unteren Decks unterbringen, zusammen mit all den anderen Mädchen. Was hättest du dann getan?«
    »Ich hätte einen Weg gefunden, um in deiner Nähe zu sein.«
    »Soll mich das beruhigen, oder soll ich mir Sorgen machen?« Die Mundwinkel der Konkubine zuckten, und Saga begriff, dass hinter ihrem Lächeln mehr steckte als Heiterkeit. Sie streifte sich die Lagen ihrer Schönheit über wie Schleier, federleichte Verkleidungen, eine über die andere, und immer wenn man glaubte, sie könne unmöglich noch liebreizender, noch umwerfender erscheinen, schloss sie eine weitere Schale, und man musste sie einfach mögen. Nur rückte dabei die wahre Karmesin immer weiter von einem fort, tiefer und tiefer hinein in diesen Panzer der Anmut.
    Die Konkubine nickte Saga zu. »Ich rede mit Jorinde. Wenn sie es möchte, suche ich mir eine andere Unterkunft.«
    »Das wird sie nicht wollen.«
    »Frauen in ihrem Zustand sind unberechenbar.«
    Saga neigte verständnislos den Kopf. »Oh. Sie hat es dir nicht

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