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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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zu handeln. Kein Wort, keine Regung, kein Atemzug zu viel. Lebe mit dem, was der Herr dir gegeben hat. Lebe für den Herrn.
    Als der Trupp bereit zur Abreise war, umarmte Karmesin Jorinde sehr lange und flüsterte ihr etwas ins Ohr, das die junge Adelige unter Tränen lächeln ließ. Sie schloss für einen Moment die Augen, schien sich auf etwas zu besinnen, dann lösten sich die beiden voneinander.
    Violante verabschiedete sich als Nächste. »Ich habe in den letzten Monaten viele Fehler gemacht. Aber wenn es etwas gibt, das ich noch einmal genauso machen würde, dann Euch aus Hoch Rialt fortzuholen.«
    »Ihr seid sehr freundlich«, sagte Jorinde mit belegter Stimme. Die Tränen liefen ungehemmt über ihre Wangen.
    Zuletzt kam die Reihe an Saga. Sie hasste es, Abschied zu nehmen. In vielerlei Hinsicht hatte Jorinde ihr von allen immer am nächsten gestanden, auch wenn sie in den vergangenen Wochen nur noch wenig miteinander gesprochen hatten. Jorindes Anwesenheit war zu etwas ungeheuer Vertrautem und Selbstverständlichem geworden, das Worte überflüssig machte. Nie hatte es geheime Motive für irgendetwas gegeben, das sie tat, ganz im Gegensatz zu allen anderen mit ihren wechselnden Loyalitäten und verborgenen Zielen. Ihre Bescheidenheit und Scheu waren niemals Maskerade gewesen. Sie war immer nur sie selbst, auch jetzt, mit tränennassem Gesicht und Augen, aus denen tiefe Trauer über den Tod ihres Sohnes und das Schicksal hunderter Mädchen, aber auch unverwüstliche Hoffnung strahlten.
    Saga und sie hielten einander lange im Arm, und beide weinten ganz offen, unberührt von den Blicken der Ritter auf ihren hohen Rössern und der Ungeduld des Großmeisters, der auf den Treppenstufen des Palas wartete, um das Zeichen zum Aufbruch zu geben.
    »Ich wünschte …«, begann Saga, aber Jorinde legte ihr lächelnd eine Fingerspitze auf die Lippen.
    »Psst«, machte sie. »Wir sehen uns bald wieder. Kein Grund, einen Abschied für immer daraus zu machen.«
    »Es ist dumm und eigennützig, aber mir wäre es lieber, du müsstest nicht nach Zypern gehen. Ich werde dich vermissen.«
    »Ich wäre euch nur eine Last, auch ohne das hier.« Sie streichelte liebevoll ihren Bauch. »Zu allzu viel bin ich nie zu gebrauchen gewesen, fürchte ich.«
    »Sag das nicht. Ohne dich hätte ich vielleicht alles aufgegeben.«
    Jorinde lächelte. »Das hast du. Mehr als einmal.«
    »Aber nie für immer. Weil es eben nicht nur um mich ging, sondern auch um andere. Niemand hat mir das immer wieder so klar gemacht wie du.«
    »Auf Wiedersehen«, flüsterte Jorinde mit heiserer Stimme.
    »Bleib gesund und wage ja nicht, ›Leb wohl‹ zu sagen. Du kommst zurück, hörst du? Du kommst zurück!«
    Saga musste gegen ihren Willen lächeln. »Bis bald, Jorinde.« Dann schlängelte sich ein Zug von dreizehn Reitern den Weg vor dem Festungstor hinab, aus dem Schatten der schwarzen Mauern, dem fernen Flimmern im Südosten entgegen.
     

Krak des Chevaliers
     
    Die Sturmhochzeit hatte Faun und die anderen über Zypern ins Heilige Land gebracht. Im Hafen von Limassol hatten sie erfahren, dass Dutzende von Mädchen, die das Massaker auf der Tempelinsel überlebt hatten, auf Zypern zurückgeblieben waren; es war nicht schwer gewesen, einige von ihnen ausfindig zu machen. Bald war der Name Margat gefallen.
    Wenige Tage später nahmen sie Abschied von Katervater, und obgleich sie keinen Freibrief besaßen wie jene, die vor ihnen diesen Weg gegangen waren, gelangten Faun, Tiessa und Zinder nach Margat, nicht als Gäste des Ordens, sondern als mindere Bittsteller.
    Eine ausgezehrte junge Frau, hochschwanger, die sich ihnen als Jorinde von Rialt vorstellte, zeigte sich überraschend erfreut, als Faun sich erst den Torwächtern und dann ihr selbst als Sagas Zwillingsbruder zu erkennen gab. Sie umarmte und küsste ihn, als hätten sie einander schon lange gekannt, und dann erzählte sie ihnen, dass Saga und ihre Begleiterinnen drei Tage zuvor von Margat aus zum Krak des Chevaliers aufgebrochen waren, sowie das Wenige, das sie über Gahmuret wusste. Faun konnte kaum glauben, dass Saga sich der Gräfin freiwillig auf der letzten Etappe angeschlossen hatte, doch Jorinde versicherte ihm, dass Saga aus freien Stücken unterwegs ins Seldschukenreich war.
    »Wie sollen wir dorthin kommen?«, fragte Zinder und seufzte, wohl weil er die Antwort vorausahnte.
    »Und wenn ich auf Knien rutschen muss«, erklärte Faun, »ich gehe weiter.«
    »Ich komme mit«, pflichtete

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