Herrin Der Stürme - 2
elektrischen Entladungen, die von Wolke zu Wolke sprangen. Sie kreisten in einer langen, langsamen Spirale fast bis zum Boden. Er fühlte Donals Ärger.
Sollen wir irgendwo landen und den Sturm abwarten? Ich würde es riskieren, aber Allart ist das Fliegen nicht gewohnt… Ich werde riskieren, was du riskierst, Donal.
Dann folge mir. Es ist, als weiche man einem Pfeilregen aus, aber ich habe es mehr als einmal getan … Er senkte seine Flügel, schoß auf einer schnellen Strömung nach oben und jagte dann schnell zwischen zwei Wolken hindurch. Schnell! Gerade hat sich ein Blitz entladen. Es wird nicht lange dauern, bis sich der nächste aufbaut.
Allart spürte ein merkwürdiges schrilles Klingeln, und erneut flogen sie wie bei einem Spießrutenlauf durch die zuckenden Blitze. Normalerweise hätte er sich zurückfallen lassen, aber er vertraute der Führung Donals, der wußte, wo und wann der Blitz zuschlagen würde. Allart fühlte dennoch, wie kalte Tropfen ihn trafen. Sie durchflogen einen plötzlich auftauchenden kleinen Regenschauer, und er klammerte sich, durchnäßt und frierend, an die Gurte des Gleiters. Seine feuchten Kleider ließen die Haut eiskalt werden. Er folgte Donal auf dem langen, Übelkeit verursachenden Sturzflug eines Abwinds, erwischte in letzter Sekunde eine Aufwärtsströmung, die ihn höher und höher trug, bis sie kreisend über den Hügeln von Burg Aldaran schwebten.
Donal, nur eine Stimme in Allarts Kopf, sagte: Wir können nicht sofort hinunter. Auf den Gleitern und unseren Kleidern ist zuviel Ladung. Sobald wir den Fuß auf den Boden setzten, würde sie uns bewußtlos machen. Wir müssen eine Weile kreisen. Schwebe und spreize die Hände, um sie allmählich abzubauen …
Allart, den Anweisungen folgend, trieb in gemächlichen, träumerischen Kreisen. Er wußte, daß Donal wieder in der Falken-Rolle war, sich in den Geist und die Gedanken eines großen Vogels projizierte. Während sie über der Burg dahinzogen, hatte Allart genug Zeit, auf Aldaran hinabzublicken. In den vergangenen Monaten war es ihm eine zweite Heimat geworden, aber nun sah er mit einem Gefühl böser Vorahnung eine lange Reiterkarawane, die sich den Toren näherte. Er sandte einen wortlosen Warnschrei zu Donal, als der Führer der Karawane sein Schwert zog. Der Klang des geistigen Schreis war für Allart, der hoch über den Zinnen und dem steil hinabstürzenden Wasserfall dahinflog, beinahe hörbar.
»Aber da ist doch niemand«, sagte Donal besorgt. »Was fehlt dir? Was hast du gesehen? Wirklich, dort ist niemand.«
Allart blinzelte verwirrt, ein plötzliches Schwindelgefühl ließ seine Schwingen flattern, und automatisch kippte er ab, um das Gleichgewicht wiederzufinden. Die Straße nach Aldaran lag leer und verlassen im zunehmenden Zwielicht. Er sah weder Reiter noch bewaffnete Männer, noch Banner. Sein Laran hatte ihm wieder einmal gezeigt, was geschehen konnte. Die Vision war verschwunden.
Donal flatterte, flog seitwärts. Seine erregte Warnung drängte Allart, ihm schnell zu folgen. »Wir müssen hinunter, selbst wenn wir dabei die Besinnung verlieren«, schrie er und sandte ihm einen flüchtigen, erregten Gedanken zu: Ein neuer Sturm kommt auf.
Aber ich sehe keine Wolken.
Dieser Sturm braucht keine Wolken, dachte Donal bestürzt. Das ist der Zorn meiner Schwester, der Blitze erzeugt. Die Wolken werden noch kommen. Sie würde uns nicht wissentlich treffen, aber wir müssen dennoch so schnell wie möglich nach unten.
Er ließ sich auf einer schnellen Strömung hinabsinken, verlagerte sein Gewicht auf den Gleiter, daß er senkrecht in ihm hing, und setzte es ein, um das Gefährt nach unten zu bringen. Allart, vorsichtiger und weniger erfahren, folgte einer normalen Abwärtsspirale, aber dennoch spürte er den Schlag schmerzender Elektrizität, als seine Füße den Boden berührten. Donal, der sein Gurtzeug losschnallte und den Gleiter in einem Durcheinander von Leinen dem Diener zuwarf, der herbeigeeilt kam, murmelte: »Was kann das sein? Was ist geschehen, daß Dorilys so erregt oder geängstigt ist?« Mit einer knappen Entschuldigung an Allart eilte er davon.
18
Ohne darüber nachzudenken hörte auch Renata das Rollen des Sommerdonners, als sie sich durch die Flure des Schlosses auf den Weg zu Dorilys’ Räumen machte, um den Nachmittagsunterricht zu geben. Weil Dorilys jünger war als die Novizen eines Turms – und auch, weil sie diese Ausbildung weder aus freiem Willen gewählt noch gelobt hatte, die
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