Herrin Der Stürme - 2
erschien ihm sehr jung, war kaum mehr als ein Mädchen, und war doch schon mit solch entsetzlicher Verantwortung beladen! Um sie in ihrer Angst aufzuheitern, sagte er: »Ich habe durch die Verstärker mit Hali gesprochen. Ich soll dir von Arielle liebe Grüße ausrichten.«
»Die teure Arielle«, sagte Renata. »Ich vermisse sie auch. Welche Neuigkeiten gibt es von Hali, Cousin?«
»Mein Bruder hat einen Sohn, von seiner Frau geboren und daher rechtmäßig«, berichtete Allart. »Unser König ist schwer erkrankt, Prinz Felix hat den Rat einberufen. Viel mehr weiß ich nicht. Hali ist mit Brandbomben angegriffen worden.«
Renate zitterte. »Wurde jemand verletzt?«
»Nein, ich glaube nicht. Cassandra hätte es mir sicher gesagt. Aber sie sind alle übermüdet, da sie Tag und Nacht arbeiten«, sagte Allart. Dann sprach er das, was seinen Verstand beschäftigte, seit er mit seiner Frau gesprochen hatte, aus: »Es belastet mich, daß ich in Sicherheit bin, während Cassandra solchen Gefahren ausgesetzt ist. Ich sollte mich um sie kümmern und sie schützen, aber ich kann es nicht.«
»Du bist deinen eigenen Gefahren ausgesetzt«, sagte Renata ernst. »Mißgönne ihr nicht die Kraft, den ihren entgegenzutreten. Sie ist jetzt also Überwacherin? Ich wußte, daß sie die Begabung hat.«
»Aber sie ist immer noch eine Frau, und ich bin besser geeignet, Gefahren und Entbehrungen auszuhalten.«
»Was macht dir Sorgen? Fürchtest du dich davor, daß sie nicht mehr von dir abhängig ist? Oder daß sie sich von dir abwenden könnte?« Ist es nur das? Bin ich wirklich eifersüchtig, daß ich sie mir schwach und kindlich wünsche, damit sie sich mir auf der Suche nach Kraft und Schutz zuwendet? Während ihrer langen, intensiven Verbindung hatte er aus Cassandras Geist viele Dinge aufgeschnappt, die sie ihm nicht bewußt mitgeteilt hatte. Jetzt kehrten sie allmählich in sein Bewußtsein zurück. Aus dem furchtsamen, kindgleichen Mädchen, das von seiner Liebe und Fürsorge ganz und gar abhängig gewesen war, war eine starke Überwacherin geworden, eine geschickte Leronis. Sie liebte ihn noch immer tief und leidenschaftlich – die Verbindung hatte daran keinen Zweifel gelassen –, aber er war für sie nicht länger die einzige Sache der Welt. Ihre Liebe hatte jetzt einen Platz unter vielem, das sie antrieb, gefunden und war nicht das einzige, auf das sie reagierte.
Es war schmerzlich für Allart, sich das klarzumachen; und noch schmerzlicher war es, zu erfahren, wie unglücklich dieser Gedanke ihn machte.
Hätte ich sie wirklich gerne in diesem Zustand gehalten: verschüchtert, jungfräulich, nur zu mir gehörend, die Welt nur durch meine Augen sehend, nur das wissend, was ich sie wissen lassen wollte, nur das darstellend, was ich an einer Frau begehre? Überkommener Brauch, die Tradition seiner Kaste und sein Familienstolz schrien laut: Ja, ja! Aber alles andere drängte ihn dazu, sich dafür zu schämen.
Allart lächelte bekümmert. Er dachte daran, daß es nicht das erste Mal war, daß Renata sich für seine Frau eingesetzt hatte. Jetzt gab es für Cassandra andere Straßen als die eine, die er am Ende ihrer Liebe gesehen hatte: daß sie bei der Geburt ihres Kindes unausweichlich starb. Wie konnte er sich gegen etwas widersetzen, das diesen andauernden Schrekken aus seinem Verstand entfernt hatte?
»Es tut mir leid, Renata! Du bist zu mir gekommen, um Trost zu finden, und wie gewöhnlich ist es darauf hinausgelaufen, daß du mich getröstet hast. Ich wünschte wirklich, mehr über Dorilys’ Laranzu wissen, damit ich dir einen Ratschlag geben könnte, aber ich stimme mit dir überein, daß es zur Katastrophe kommt, wenn wir sie nicht rechtzeitig ausbilden. Ich habe Donal heute in Aktion gesehen, und es ist äußerst beeindrukkend – noch beeindruckender als damals, als er erkannte, welchen Weg das Feuer nehmen würde. Jetzt, da die Jahreszeit der Brände bevorsteht, könntest du sie vielleicht zur Feuerstation auf den Gipfeln mitnehmen und Donal versuchen lassen, ihr ein wenig beizubringen, wie man diese Fähigkeit einsetzt. Er weiß mehr darüber als du und ich.«
»Ich glaube, das sollte ich tun«, stimmte Renata ihm zu. »Auch Donal hat die Schwellenkrankheit überlebt, das mag ihr die Zuversicht geben, daß sie es ebenfalls kann. Ich bin froh, daß sie meine Gedanken nicht, liest. Ich will nicht, daß sie von dem, was ihr widerfahren kann, verschreckt wird. Aber andererseits muß sie darauf vorbereitet sein … Mehr als
Weitere Kostenlose Bücher