Herrin Der Stürme - 2
mich los, laß mich los!«
Margali blickte Renata flehentlich an. Auch sie litt, als sie das Mädchen so hilflos sah.
Die alte Leronis flüsterte: »Befreie sie, Renata. Sie wird brav sein, nicht wahr, mein Kleines?«
Renata sagte sehr freundlich: »Du siehst, Dorilys, daß ich immer noch stärker bin als du. Ich werde nicht zulassen, daß du jemandem wehtust, nicht einmal dir selbst. Ich weiß, daß du aus dem Zorn des Augenblicks heraus niemandem wirklich schaden willst.«
Dorilys begann zu schluchzen. Noch immer hing sie bewegungslos im Griff von Renatas Laran.
»Laß mich los, Cousine, bitte. Ich werde brav sein. Ich verspreche es. Es tut mir leid.«
»Du mußt dich nicht bei mir entschuldigen, Kind, sondern bei deiner Pflegemutter«, erinnerte Renata sie freundlich und löste den Griff völlig.
Dorilys sank auf die Knie und schluchzte unter Mühen: »Es tut mir leid, Margali. Ich wollte dir nicht wehtun. Ich war nur wütend.« Dann brach sie weinend zusammen.
Margalis dünne, vom Alter knotige Finger streichelten sanft Dorilys’ Wange. »Das weiß ich, Liebes. Du wolltest nie jemandem wehtun. Du denkst nur nicht darüber nach.«
Dorilys wandte sich Renata zu und flüsterte mit vor Entsetzen geweiteten Augen: »Ich hätte … ich hätte dir antun können, was ich mit Darren getan habe – und ich liebe dich, Cousine, ich liebe dich.« Sie warf ihre Arme um Renata, die immer noch zitternd ihre Arme um das schmächtige, zitternde Kind legte.
»Weine nicht mehr, Dorilys. Ich werde nicht zulassen, daß du jemandem schadest, das verspreche ich«, sagte sie, das Mädchen fest an sich drückend. Sie zog ein Tuch heraus und trocknete Dorilys’ Augen. »Jetzt leg dein Nähzeug ordentlich weg, und dann kommen wir zu unserem Unterricht.«
Sie weiß jetzt, zu was sie fähig ist und wird allmählich klug genug, um sich vor ihrer Kraft zu fürchten. Wenn ich es nur schaffe, sie zu steuern, bis sie weit genug ist, es selbst zu tun!
Draußen war der Sturm in einem fernen Rollen erstorben.
Stunden darauf stieß Renata, vor unterdrückter Anspannung und Angst zitternd, auf Allart.
»Ich war stärker als sie – aber nicht genug«, flüsterte sie. »Ich war so geängstigt!«
Er sagte nüchtern: »Erzähl mir davon. Was sollen wir mit ihr tun?« Sie saßen im Salon der kleinen, luxuriösen Suite, die ihr auf Befehl Lord Aldarans zur Verfügung gestellt worden war.
»Allart, ich habe es gehaßt, sie auf diese Weise zu ängstigen! Es sollte eine bessere Methode als Angst geben, sie zu unterrichten!«
»Ich weiß nicht, ob du eine andere Wahl hattest«, besänftigte Allart sie nüchtern. »Sie muß lernen, ihre eigenen Triebe zu fürchten. Es gibt mehr als eine Art der Angst.« Das Gespräch verstärkte viele seiner eigenen alten Ängste. Er dachte an den Kontakt mit Cassandra, den langen Flug mit Donal, und die Umgebung des Turms in Tramontana. »Ich selbst trug einst einen Kampf der Angst aus, die mich lähmte und am Handeln hinderte. Ich fand kaum etwas Gutes an ihr. Ehe ich sie meisterte, konnte ich nichts tun. Aber mir scheint, daß Dorilys zu wenig über die Vorsicht weiß. Die Angst mag ihr gerecht werden, bis sie die Vorsicht erlernt.«
Renata wiederholte, was sie während der Schlacht des Geistes gedacht hatte: »Wenn es nur einen Weg gäbe, diese Stärke nutzbar zu machen; was könnte sie für eine Frau sein!«
»Nun«, meinte Allart, »deshalb sind wir ja schließlich hier. Laß dich nicht entmutigen, Renata. Sie ist noch sehr jung, und du hast Zeit.« »Aber nicht genug«, wandte Renata ein. »Ich fürchte, daß ihre Pubertät vor dem Ende des Winters eintritt, und weiß nicht, ob die Zeit ausreicht, ihr das, was sie wissen muß, beizubringen, ehe diese entsetzliche Belastung über sie kommt.«
»Mehr als dein Bestes kannst du nicht tun«, sagte Allart. Er fragte sich, ob die Bilder in seinem Verstand – das Gesicht eines Kindes, von Blitzen umrahmt; Renata, weinend in einem gewölbten Zimmer, ihr Körper durch eine Schwangerschaft angeschwollen – wirklich oder nur Verkörperungen seiner Ängste waren. Wie konnte er zwischen dem was geschehen konnte, geschehen mußte, und dem, was vielleicht nie geschehen würde, unterscheiden?
Die Zeit ist mein Feind … Jedem anderen bietet sie nur einen Weg – aber für mich windet und krümmt sie sich und zieht in ein Land, wo das Nie so wirklich wie das Jetzt ist…
Er verbannte Selbstmitleid und Grübelei aus seinen Gedanken und blickte in Renatas bekümmerte Augen. Sie
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