Herrin Der Stürme - 2
wieder Windstöße durch die dicht verflochtenen Zweige. Allart ließ sich in eine leichte Trance treiben. Er hielt Cassandra fest umarmt, damit er merkte, falls sie sich bewegte oder irgend etwas brauchte. Schließlich merkte er, daß zumindest Donal schlief. Aber Cassandra blieb wach, obwohl sie ruhig in seinen Armen lag. Es war der heftige Schmerz ihres verletzten Beins, der sie nicht schlafen ließ. Schließlich wandte sie ihm das Gesicht zu. Allart drückte sie fest.
Sie flüsterte: »Allart, werden wir hier sterben?«
Es wäre leicht gewesen, sie zu beruhigen – und falsch. Was auch geschah, zwischen ihnen mußte Aufrichtigkeit herrschen, wie vom Augenblick ihrer ersten Begegnung an. Er tastete in der Dunkelheit nach ihren schlanken Fingern und sagte: »Ich weiß es nicht, Preciosa. Ich hoffe, nicht.«
Sein Laran zeigte ihm nur Dunkelheit. Durch die Berührung ihrer Hände spürte er den sie quälenden Schmerz. Behutsam versuchte Cassandra ihr Gewicht zu verlagern, ohne Donal zu wecken, der sich eng an ihren Körper kauerte. Allart kniete hin und hob sie ein wenig an, um ihre Körperstellung zu verändern. »Ist es jetzt leichter?«
»Ein wenig.« Aber es war nicht viel, was er in ihrem beengten Schutzraum tun konnte. Das war bei all ihrem Unglück das Schlimmste: Selbst wenn das Wetter umschlug, konnten sie jetzt keinen besseren Schutz suchen, denn Cassandra war wahrscheinlich einige Tage lang nicht in der Lage, zu gehen. Könnte man sie pflegen, in ein heißes Bad stecken und von der matrix-geübten Leronis massieren und behandeln lassen, damit die Schwellung und Blutung im Gelenk aufhörte, würde es nicht allzu ernst werden. Aber lange der Kälte ausgesetzt und zur Bewegungslosigkeit verurteilt, war auf eine schnelle Heilung nicht zu hoffen. Selbst unter besseren äußeren Umständen besaß Allart nur wenig Übung in solchen Fertigkeiten. Eine oberflächliche und schnelle erste Hilfe konnte er geben, aber nichts, was kompliziertere Kenntnisse erforderte. »Ich hätte dich in Hali lassen sollen«, flüsterte er. Cassandra berührte in der Dunkelheit sein Gesicht.
»Dort gab es für mich keine Sicherheit, mein Gatte. Nicht solange dein Bruder vor meiner Tür stand.«
»Aber ich habe dich in den sicheren Tod geführt…«
»Es hätte ebensogut meinen Tod bedeuten können, wenn ich dort geblieben wäre«, sagte sie. Verwundert hörte er unter diesen extremen Bedingungen einen Schimmer von Lachen in ihrer Stimme. »Hätte DamonRafael versucht, mich gegen meinen Willen zu nehmen, hätte er keine willige Frau in seinem Bett gefunden. Ich habe ein Messer und weiß, wie – und wo – man es benutzt.« Ihre Stimme wurde härter. »Ich bezweifle, daß er mich am Leben gelassen hätte, um die Geschichte seiner Erniedrigung zu verbreiten.«
»Ich glaube nicht, daß er hätte Gewalt anwenden müssen«, sagte Allart rauh. »Es ist wahrscheinlicher, daß man dich mit Drogen gefügig gemacht hätte, damit du keinen Widerstandsgeist mehr aufbringst.« »Oh nein«, sagte Cassandra. Ihre Stimme war mit einem Gefühl erfüllt, das Allart nicht deuten konnte. »In diesem Fall hätte ich gewußt, wohin ich die Klinge wende.«
Allart fühlte einen Klumpen in der Kehle, der ihm eine Erwiderung unmöglich machte. Was hatte er geleistet, eine solche Frau zu verdienen? Hatte er sie jemals für furchtsam, ängstlich und kindlich gehalten? Er drückte sie fest an sich. »Versuche zu schlafen, meine Liebe. Lehne dich gegen mich, wenn das leichter ist. Ist es dir nicht zu kalt?« »Nein, es ist nicht schlimm. Nicht, wenn ich so nahe bei dir bin«, erwiderte sie und schwieg. Langsam und gleichmäßig atmete sie ein und aus.
Habe ich ihr die Freiheit gegeben? Oder nur die Wahl, sich eine andere Todesart auszusuchen?
Die Nacht kroch dahin, eine Ewigkeit. Als der Tag« anbrach, ließ die Dunkelheit nur ein wenig nach. Für die drei in der Höhle, verkrampft und ohne ausreichenden Schlaf, war es eine Qual. Allart ermahnte Donal, der wegen eines menschlichen Bedürfnisses nach draußen kroch, sich vom Dickicht nicht weiter als einen oder zwei Schritte zu entfernen. Als er wieder zu ihnen hereintaumelte, mitgenommen und schneebedeckt, sagte er, daß der Wind draußen so heftig sei, daß er ihn kaum habe aushalten können. Allart mußte Cassandra tragen – sie konnte den Fuß nicht auf den Boden setzen. Später teilte er den größten Teil der Lebensmittel vom Vortag aus. Der Schneefall zeigte kein Zeichen von Nachlassen. Soweit Allart
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