Herrin Der Stürme - 2
geschlossen. Nein! dachte er. Ganz gleich, wie sehr ihn sein Vater mit der Schönheit dieser Frau verlocken sollte, er würde an seinem Entschluß festhalten und kein Kind zeugen, das den Fluch seines Blutes zu tragen hatte! Aber die Anwesenheit des Gesichts dieser Frau blieb im Träumen und Wachen, und er wußte, daß sie eine von jenen war, die sein Vater für ihn als Braut wählen würde. Allart fragte sich, ob die Möglichkeit bestand, daß er ihrer Schönheit nicht zu widerstehen vermochte.
Ich bin schon halb verliebt in sie, dachte er, und ich kenne nicht einmal ihren Namen!
Eines abends, als sie in ein weites grünes Tal hinabritten, begann sein Vater erneut von der Zukunft zu sprechen.
»Unter uns liegt Syrtis. Die Leute von Syrtis sind seit Jahrhunderten Hastur-Vasallen gewesen; wir werden unsere Reise dort unterbrechen. Du wirst froh sein, wieder in einem Bett zu schlafen, nehme ich an.« Allart lachte. »Das ist mir egal, Vater. Während dieser Reise habe ich weicher geschlafen als jemals in Nevarsin.«
»Vielleicht hätte ich solche mönchische Zucht erfahren sollen, bevor meine alten Knochen eine solche Reise machten! Ich jedenfalls werde über eine Matratze froh sein, wenn du es schon nicht bist! Wir sind jetzt nur noch zwei Tagesritte von Zuhause entfernt und könnten an sich schon etwas für deine Heirat planen. Mit zehn Jahren wurdest du mit deiner Verwandten Cassandra Aillard verlobt, erinnerst du dich?« So sehr er es auch versuchte, Allart konnte sich nur an ein Fest erinnern, zu dem er einen neuen Anzug bekommen hatte und stundenlang herumstehen und lange Ansprachen der Erwachsenen anhören mußte. Das sagte er seinem Vater, und Dom Stephen erwiderte, erneut sehr liebenswürdig: »Das überrascht mich nicht. Vielleicht war das Mädchen nicht einmal da; ich glaube, es war damals nur drei oder vier Jahre alt. Ich bekenne auch, daß ich an dieser Verbindung meine Zweifel hatte. Die Aillards haben Chieri-Blut und die üble Angewohnheit, dann und wann Töchter zu gebären, die Emmasca sind – sie sehen wie wunderschöne Frauen aus, aber sie werden nie reif zur Vereinigung und gebären auch keine Kinder. Ihr Laran ist nichtsdestoweniger stark, deshalb habe ich die Verlobung riskiert. Und als das Mädchen zur Frau wurde, ließ ich sie in Anwesenheit ihrer Amme von unserer eigenen Leronis, die ihre Überzeugung äußerte, daß sie Kinder gebären könnte, untersuchen. Ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen, aber man hat mir berichtet, sie sei zu einer anmutigen Jungfrau herangewachsen. Und sie ist eine Aillard. Ihre Familie ist ein starker Verbündeter unseres Clans, den wir sehr benötigen. Hast du nichts dazu zu sagen, Allart?«
Allart zwang sich, ruhig zu sprechen.
»Du kennst meine Einstellung zu dieser Sache, Vater. Ich will nicht mit dir darüber streiten, aber ich habe meine Meinung nicht geändert. Ich habe nicht den Wunsch, zu heiraten, und werde auch keine Söhne zeugen, die den Fluch unseres Blutes weitertragen. Mehr habe ich nicht zu sagen.«
Erneut tauchten vor seinem geistigen Auge das Zimmer mit den grüngoldenen Vorhängen und das tote Gesicht seines Vaters auf; mit solcher Deutlichkeit, daß er heftig blinzeln mußte, um den Vater wieder neben sich reiten zu sehen.
»Allart«, sagte sein Vater mit freundlicher Stimme, »während der Tage unserer gemeinsamen Reise habe ich dich zu gut kennengelernt, um dir das zu glauben. Immerhin bist du mein Sohn, und wenn du in die Welt zurückgekehrt bist, in die du gehörst, wirst du diese Mönchs-Ansichten nicht lange behalten. Wir wollen nicht mehr darüber sprechen, Kihu Caryu, bis die Zeit dafür reif ist. Die Götter wissen, daß ich nicht mit dem jüngsten Sohn, den man mir gelassen hat, streiten will.« Allart fühlte seine Kehle sich vor Kummer zusammenziehen. Ich kann nicht anders. Ich habe meinen Vater lieben gelernt. Wird er dadurch schließlich meinen Willen brechen? Nicht mit Gewalt, sondern mit Freundlichkeit? Und wieder blickte er in das tote Gesicht und das grün- und goldverhängte Zimmer, und das Gesicht des dunklen Mädchens aus seinen Visionen tauchte vor seinen flimmernden Augen auf.
Das Herrschaftshaus von Syrtis bestand aus einem alten, steinernen Bergfried, einem Burggraben mit Zugbrücke, großen Außengebäuden aus Holz und Stein, und einem gestalteten Innenhof mit glasähnlicher Überdachung in vielen Farben.
Der Boden bestand aus farbigen Steinen, die mit einer solchen Präzision zusammengesetzt waren, die kein
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