Herrin Der Stürme - 2
die anderen Möglichkeiten, die sie tot in seinen Armen liegend zeigten, verdrängen wollten. Was hatte Damon-Rafael gesagt? Daß alle ihre Schwestern bei der Geburt ihres ersten Kindes gestorben waren …
Mit einem Chor von Glückwünschen zogen die Verwandten sich zurück und ließen sie allein. Allart stand auf und warf den Riegel des Schlosses nach unten. Als er zurückkam, sah er die Furcht in ihrem Gesicht und die tapfere Anstrengung, sie zu verbergen.
Fürchtet sie, daß ich wie ein wildes Tier über sie herfalle? Laut sagte er: »Haben sie dich mit Aphrosone oder einem anderen Trank betäubt?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe es abgelehnt. Meine Pflegemutter wollte, daß ich es trinke, aber ich habe ihr gesagt, daß ich keine Angst vor dir habe.«
Allart fragte: »Warum zitterst du dann?«
Mit dem Anflug von Gewitztheit, den er schon vorher an ihr bemerkt hatte, sagte sie: »In diesem Gewand, das mich halbnackt läßt, und auf dem sie bestanden haben, ist mir kalt.«
Allart lachte. »Es scheint, daß ich nur besser dran bin, weil ich einen Pelz trage. Bedeck dich damit. Das Gewand wäre nicht nötig gewesen, um meine Begierde zu wecken – aber ich vergaß, daß du Komplimente und Schmeicheleien nicht magst.« Er trat näher und setzte sich auf den Rand des Bettes. »Darf ich dir etwas Wein einschenken, Domna?« »Danke.« Sie nahm das Glas, und als sie daran nippte, sah er die Farbe in ihr Gesicht zurückkehren. Dankbar zog sie den Fellumhang über die Schultern. Er schenkte sich auch etwas ein, und während er den Stiel des Kelchs zwischen den Fingern drehte, versuchte er darüber nachzudenken, wie er das, was gesagt werden mußte, sagen konnte, ohne sie zu beleidigen. Erneut drohten die vielfältigen Entwicklungen und Möglichkeiten, ihn zu überwältigen. Er sah sich seine eigenen Skrupel ignorieren, sie mit der ganzen aufgestauten Leidenschaft seines Lebens in die Arme nehmen. Wie sie mit Leidenschaft und Liebe zum Leben erwachte, die gemeinsamen Jahre voller Freude … Und dann wieder das Gesicht einer anderen Frau, goldbraun und lachend, von dichtem, kupferfarbenem Haar umgeben. Auf verwirrende Weise ließ es das Gesicht der Frau und die Situation vor ihm verschwimmen …
»Cassandra«, sagte er, »hast du diese Heirat gewollt?«
Sie sah ihn nicht an. »Ich bin durch diese Heirat geehrt. Wir wurden miteinander verlobt, als ich zu jung war, um mich noch daran zu erinnern. Für dich muß es anders sein, du bist ein Mann und hast die Möglichkeit zur Wahl. Ich nicht. Was ich als Kind auch tat, ich hörte immer nur, daß dieses oder jenes nicht angebracht sei, wenn man Allart Hastur von Elhalyn heiraten will.«
Seine Worte kamen gepreßt, als er sagte: »Welche Freude muß es sein, solche Gewißheit zu haben, nur eine Zukunft zu sehen, statt Dutzender, Hunderter, Tausender … Wenn man seinen Weg nicht wie ein Akrobat, der beim Jahrmarkt auf dem Hochseil tanzt, ausbalancieren muß.« »Daran habe ich nie gedacht. Ich dachte nur, daß ein Leben freier als meines ist, wenn man wählen darf …«
»Frei?« Er lachte amüsiert. »Mein Schicksal war so festgelegt wie das deine. Aber wir können noch immer unter den künftigen Möglichkeiten, die ich sehe, wählen, wenn du dazu bereit bist.«
Leise erwiderte sie: »Was ist uns jetzt noch zu wählen geblieben? Wir wurden vermählt und zu Bett gebracht. Mir scheint, daß nun keine weitere Wahl mehr möglich ist. Nur dies: Du kannst mich grausam oder sanft behandeln, und ich kann alles mit Geduld ertragen – oder meiner Sippe Schande machen, indem ich mich gegen dich zur Wehr setze und dich, wie der Geprellte in einem obszönen Lied, zwinge, die Zeichen meiner Nägel und Zähne zu tragen. Das allerdings«, schloß sie, wobei ihre Augen lachend aufblitzten, »würde ich auch für schändlich halten.«
»Die Götter mögen verhindern, daß du einen Grund dazu haben wirst,« sagte Allart. Einen Moment waren die Bilder, die sich aus seinen Worten ergaben, so scharf, daß alle anderen Zukunftsvisionen tatsächlich wie weggewischt erschienen.
Sie war seine Frau, ihm mit ihrem Einverständnis, sogar mit ihrem Willen gegeben worden, und ihm ganz ausgeliefert. Er konnte sie sogar dazu bringen, ihn zu lieben.
Warum fügen wir uns dann nicht gemeinsam unserem Schicksal, meine Liebe …?
Doch er zwang sich zu sagen: »Es bleibt noch eine dritte Möglichkeit. Du kennst das Gesetz. Ganz abgesehen von der Zeremonie: Dies ist solang keine Ehe, bis wir sie dazu machen, und
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