Herrin Der Stürme - 2
wandte sich ab. »Willst du Renata fragen, ob sie geht, oder soll ich es tun?« »Frag du sie«, meinte Allart. Er wußte, was sie sagen würde. Sie würden zusammen nach Norden reiten. Immer wieder hatte er es gesehen. Es führte kein Weg daran vorbei.
War es unvermeidlich, daß er Renata lieben und seine Liebe und sein Versprechen gegenüber Cassandra vergessen würde?
Ich hätte Nevarsin nie verlassen sollen, dachte er. Hätte ich mich doch von der höchsten Felsspitze gestürzt, statt ihnen zu erlauben, mich fortzutreiben!
14
An der Zimmertür zögerte Renata. Schließlich trat sie, wissend, daß Cassandra ihre Anwesenheit wahrgenommen hatte, ohne anzuklopfen ein.
Cassandra lag zwar nicht mehr im Bett, sah aber noch immer blaß und erschöpft aus. Sie hatte eine Stickarbeit in der Hand und setzte kleine, präzise Stiche in das Blatt einer umstickten Blume. Als Renatas Blick auf die Arbeit fiel, wurde Cassandra rot und legte sie beiseite.
»Ich schäme mich, mit einer solch dummen Zerstreuung meine Zeit zu verschwenden.«
»Warum?« fragte Renata. »Auch mir wurde beigebracht, die Hände nie müßig sein zu lassen, damit mein Verstand sich entspannen kann, anstatt nur über meinen eigenen Problemen und Sorgen zu brüten. Aber meine Stiche waren nie so fein wie deine. Fühlst du dich jetzt besser?« Cassandra seufzte. »Ja, mir geht es wieder gut. Ich glaube, daß ich meinen Platz wieder einnehmen kann. Ich nehme an …« Renata wußte, daß Cassandras Kehle sich zuschnürte, unfähig, die Worte auszusprechen. Ich nehme an, daß man weiß, was ich versucht habe. Sie verachten mich alle …
»Es gibt keinen unter uns, der für dich etwas anderes als Sympathie empfindet – und Kummer, daß du unglücklich unter uns warst, und niemand versuchte, deinen Schmerz zu lindern«, sagte Renata freundlich.
»Und doch höre ich Geflüster um mich herum. Ich kann nicht erkennen, was geschieht. Was verbergt ihr vor mir, Renata?«
»Du weißt, daß Krieg ausgebrochen ist«, sagte Renata.
»Allart wird in den Krieg ziehen!« Es war ein Schmerzensschrei. »Und er hat mir nichts gesagt.«
»Wenn er dabei zauderte, es dir zu sagen, Chiya, dann sicher nur aus Furcht, die Verzweiflung würde dich erneut überwältigen und zu überstürztem Handeln verleiten.«
Cassandra senkte den Blick. So freundlich sich die Worte auch anhören mochten – in ihnen klang ein wohlverdienter Vorwurf mit.
»Nein, das wird nicht noch einmal geschehen. Jetzt nicht.«
»Allart wird nicht in den Krieg ziehen«, sagte Renata besänftigend. »Er wird aus dem Kampfbereich herausgeschickt. Von Caer Donn ist ein Bote gekommen, dem Allart mit der Waffenstillstandsflagge als Begleiter mitgegeben wird. Lord Elhalyn hat ihn mit einem Auftrag zu den Bergbewohnern geschickt.«
»Werde ich mit ihm gehen?« Cassandra hielt den Atem an. Ihr Gesicht wurde von einem Ausdruck solcher Freude überzogen, daß Renata zögerte, weiterzusprechen.
Schließlich sagte sie behutsam: »Nein, Cousine. Das ist dir jetzt nicht bestimmt. Du mußt hierbleiben. Du brauchst dringend eine Ausbildung, die dich dein Laran kontrollieren läßt. Ich werde den Turm verlassen, und du wirst hier als Überwacherin gebraucht. Mira wird sofort anfangen, dich zu unterrichten.«
»Ich? Überwacherin? Wirklich?«
»Ja. Du hast lange genug im Kreis gearbeitet, und dein Laran und deine Begabung sind uns bekannt. Coryn meint, aus dir könne eine geschickte Überwacherin werden. Man wird dich sehr bald brauchen. Wenn Allart und ich abreisen, wird es kaum genug Arbeiter geben, um zwei Kreise zu bilden, geschweige denn genügend ausgebildete Überwacher.« «Aha.« Sekundenlang schwieg Cassandra. »Zumindest habe ich ein leichteres Los zu ertragen als andere Frauen meines Clans, denen nichts anderes übrigbleibt, als zuzuschauen, wie ihre Männer in die Schlacht oder den Tod reiten. Hier wartet nützliche Arbeit auf mich. Allart braucht nicht zu befürchten, mich mit einem Kind zurückzulassen.« Als sie Renatas fragenden Blick sah, fuhr sie fort: »Ich schäme mich, Renata. Vielleicht weißt du nicht … Allart und ich haben einander gelobt, daß unsere Ehe unvollzogen bleibt. Ich … ich habe ihn dazu verführt, dieses Gelübde zu brechen.«
»Cassandra, Allart ist weder ein Kind noch ein unerfahrener Junge. Er ist ein erwachsener Mann und durchaus in der Lage, eine solche Entscheidung selbst zu treffen.« Renata unterdrückte den Impuls zu lachen. »Ich bezweifle, daß ihm der Gedanke schmeicheln
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