Herrin Der Stürme - 2
ungewünschten Gabe fertigzuwerden.
Cassandra war jetzt wieder ruhig. Sie sagte: »Allart wird doch nicht gehen, ohne mir Lebewohl zu sagen …?«
»Nein, nein, natürlich nicht, mein Kind. Coryn hat ihm bereits die Erlaubnis gegeben, sich vom Kreis zurückzuziehen, damit ihr die letzte Nacht gemeinsam verbringen und euch voneinander verabschieden könnt.« Sie sagte Cassandra nicht, daß sie selbst Allart auf seinem Ritt nach Norden begleiten würde. Das war seine Aufgabe, die er zur passenden Zeit erledigen mußte. Sie sagte nur: »Jedenfalls sollte, so wie die Dinge zwischen euch stehen, einer von euch gehen. Du weißt, daß du allein und keusch bleiben mußt, wenn die ernste Arbeit im Kreis anfängt.«
»Das verstehe ich nicht«, wandte Cassandra ein. »Coryn und Arielle …«
«… arbeiten schon seit über einem Jahr zusammen. Sie kennen die Grenzen dessen, was erlaubt und was gefährlich ist«, fiel Renata ein. »Der Tag wird kommen, an dem du es auch weißt, aber in deiner jetzigen Verfassung würde es schwierig sein, sie einzuhalten. Jetzt ist es an der Zeit zu lernen, ohne Zerstreuungen, und Allart würde« – sie lächelte das andere Mädchen schelmisch an – »eine solche für dich sein. Oh, diese Männer, daß wir mit ihnen nicht in Frieden leben können – und ohne sie auch nicht!«
Cassandras Lachen dauerte nur Augenblicke. Dann zuckte ihr Gesicht wieder, weil sie dem Weinen nahe war. »Ich weiß, daß deine Worte richtig sind, aber trotzdem kann ich nicht ertragen, daß Allart mich verläßt. Hast du nie geliebt, Renata?«
»Nein, nicht so, wie du es meinst, Chiya.« Renata hielt Cassandra an sich gedrückt. Das empathische Laran der anderen schüttelte sie. Der Schmerz war peinigend, als Cassandra hilflos an ihrer Brust schluchzte.
»Was kann ich tun, Renata? Was kann ich nur tun?«
Renata schüttelte den Kopf und starrte trostlos vor sich hin. Werde ich je erfahren, wie es ist, auf diese Weise zu lieben? Will ich es überhaupt wissen? Oder ist eine solche Liebe nur eine Falle, in die die Frauen sich freiwillig begeben, so daß sie nicht mehr die Kraft haben, ihr eigenes Leben zu bestimmen? Sind die Frauen der Comyn auf diese Weise zu schieren Gebärerinnen von Söhnen und Spielzeugen der Begierde geworden? Aber Cassandras Schmerz war für sie sehr echt. Schließlich sagte sie zögernd, voll Scheu vor den tiefen Empfindungen der anderen: »Du könntest es ihm unmöglich machen, dich zu verlassen, Cousine, wenn du so traurig bist. Er würde sich zu sehr um dich sorgen und Schuldgefühle bei dem Gedanken, dich in solcher Verzweiflung alleinzulassen, entwickeln.«
Cassandra unterdrückte mühsam ihr Schluchzen. Schließlich sagte sie: »Du hast recht. Ich darf Allarts Kummer nicht noch meinen eigenen hinzufügen. Ich bin weder die erste noch die letzte Frau eines Hastur, die ihren Mann wegreiten sieht, ohne zu wissen, wann er zurückkehrt. Aber seine Ehre und der Erfolg seiner Mission liegen in meiner Hand. Ich darf das nicht leichtfertig ausnutzen. Irgendwie« – trotzig reckte sie ihr kleines Kinn – »werde ich die Kraft finden, ihn fortzuschicken. Wenn er schon nicht fröhlich geht, kann ich zumindest sicherstellen, daß meine Angst die seine nicht verstärken wird.«
Es war eine kleine Gruppe, die am nächsten Tag von Hali aus nach Norden ritt. Donal war als Bittsteller allein gekommen. Allart wurde nur von dem Bannerträger – der ihm als Erben von Elhalyn zustand – begleitet. Nicht ein einziger Leibdiener ritt mit ihnen. Auch Renata hatte auf die übliche Begleitung verzichtet. In Zeiten des Krieges, hatte sie gesagt, brauchten solche Feinheiten nicht beachtet zu werden. Ihre Begleitung bestand lediglich aus ihrer Amme Lucetta, die ihr seit der Kindheit diente. Renata selbst hätte auch auf diese Begleitung verzichtet, aber für eine unverheiratete Frau ziemte es sich nicht, ohne weibliche Bedienung zu reisen.
Allart ritt schweigend und abseits von den anderen dahin, gequält von der Erinnerung an Cassandra und dem Moment des Abschieds. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt gewesen, aber sie hatte tapfer mit sich gekämpft, um keine zu vergießen. Wenigstens war sie nicht schwanger zurückgeblieben; insoweit waren die Götter gnädig.
Falls es überhaupt Götter gab, die es kümmerte, was der Menschheit widerfuhr …
Vor sich konnte er Renata vergnügt mit Donal plaudern hören. Sie schienen beide so jung zu sein. Allart wußte, daß er nur drei oder vier Jahre älter als Donal war, aber
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