Herrin Der Stürme - 2
irgendwie kam es ihm vor, als sei er nie so jung gewesen. Da ich sehe, was sein wird, sein kann und nie sein wird, scheine ich mit jedem Tag, der vergeht, eine ganze Lebensspanne zu leben. Er beneidete die Jungen.
Sie ritten durch ein Land, das die Narben des Krieges trug: geschwärzte Felder mit den Spuren des Feuers, abgedeckte Häuser, verlassene Höfe. Auf der Straße begegneten ihnen so wenig Reisende, daß sich Renata nach dem ersten Tag nicht einmal mehr die Mühe machte, den Schleier über ihr Gesicht zu legen.
Einmal flog ein Luftwagen dicht über ihnen dahin, machte einen Bogen, tauchte hinab, um sie näher in Augenschein zu nehmen, wendete wieder und flog nach Süden zurück. Der Gardist mit der Waffenstillstandsflagge ließ sich zurückfallen, bis er neben Allart ritt.
»Flagge oder nicht, Vai Dom, ich wünschte, Ihr hättet einer Eskorte zugestimmt. Diese Ridenow-Bastarde könnten sich leicht dazu entscheiden, darauf zu pfeifen. Und wenn sie Euer Banner sehen, könnte ihnen leicht der Gedanke kommen, von welchem Wert es wäre, den ElhalynErben gefangenzunehmen und von seiner Hastur-Verwandtschaft freikaufen zu lassen. Es wäre nicht das erste Mal, daß so etwas geschieht.«
»Wenn sie die Fahne nicht ehren«, sagte Allart gemessen, »wird es uns auch nichts nützen, sie in diesem Krieg zu schlagen, denn dann würden sie auch die Kapitulationsbedingungen nicht achten. Ich glaube, es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als von ihnen zu erwarten, daß sie an den Kriegsregeln festhalten.«
»Ich habe wenig Vertrauen zu den Regeln, Dom Allart, seit ich zum ersten Mal sah, wie ein Dorf mit Haftfeuer in Schutt und Asche gelegt wurde. Dabei kamen nicht nur Soldaten, sondern Greise, Frauen und Kinder um. Ich würde es vorziehen, den Regeln des Krieges nur mit einer kräftigen Eskorte im Rücken zu trauen!«
Allart erwiderte: »Ich habe mit meinem Laran nicht vorausgesehen, daß wir angegriffen werden.«
Trocken gab der Gardist zurück: »Dann seid Ihr glücklich, Vai Dom. Ich habe nicht den Trost der Vorausschau oder sonstwelcher Zauberei«. Anschließend verfiel er in hartnäckiges Schweigen.
Am dritten Tag ihrer Reise überquerten sie einen Paß, der zum KadarinFluß hinabführte. Er trennte das Tieflandterritorium von den Ländern, die dem Bergvolk gehörten – Aldaran, Ardais und den niederen Fürsten der Hellers. Bevor sie die Straße hinabritten, drehte Renata sich um, um über das Land zu schauen, aus dem sie gekommen waren. Der größte Teil der Reiche lag vor ihnen ausgebreitet. Renata sah auf die entfernten Hochebenen und schrie plötzlich entsetzt auf – ein Waldbrand wütete in den südlichen Kilghard-Hügeln.
»Seht nur, das Feuer!« schrie sie auf. »Es wird auf die Alton-Ländereien übergreifen.« Allart und Donal, die beide Telepathen waren, verstanden ihre Gedanken: Wird auch mein Zuhause in Flammen liegen, in einem Krieg, der nicht der unsere ist? Laut sagte sie mit bebender Stimme: »Jetzt wünschte ich, ich hätte deine Vorausschau, Allart.«
Das Panorama der Landschaft unter ihnen verschwamm vor Allarts Augen, die er in dem vergeblichen Bemühen, den sich verzweigenden Zukunftsentwicklungen seines Laran zu entgehen, verschloß. Wenn der mächtige Clan der Altons durch einen Angriff in den Krieg hineingezogen wurde, wäre keine Siedlung, kein Gut in den Reichen mehr sicher. Für die Altons spielte es keine Rolle, ob ihre Häuser durch ein vorsätzlich gelegtes Feuer oder einen außer Kontrolle geratenen Brand in Flammen aufgingen.
»Wie können sie es wagen, einen Waldbrand als Waffe einzusetzen«, schimpfte Renata, »wenn sie wissen, daß man ihn nicht kontrollieren kann, da er von den Winden abhängt.«
»Nein«, machte Allart einen Versuch, sie zu besänftigen. »Einige der Leroni — das weißt du – können durchaus ihre Kräfte dazu einsetzen, um Wolken und Regen zu erzeugen, die ein Feuer eindämmen oder zum Verlöschen bringen.«
Donal lenkte sein Reittier an Renata heran. »Wo liegt dein Heim?« Sie zeigte es ihm. »Dort, zwischen den Seen von Miridon und Mariposa. Es liegt hinter den Hügeln, aber du kannst die Seen erkennen.« Donals dunkles Gesicht wirkte konzentriert, als er sagte: »Hab keine Angst, Damisela. Sieh – das Feuer wird sich diesen Kamm entlang nach oben fortpflanzen.« Er zeigte mit dem Finger darauf. »Dort werden es die Winde zurücktreiben. Vor dem morgigen Sonnenuntergang wird es ausbrennen.«
»Ich bete, daß du recht hast«, sagte Renata. »Aber das
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