Herrin Der Stürme - 2
existiert. Sicher gibt es hier nichts Erschreckendes, oder? Oder ist die Damisela Dorilys wirklich so ein Ungeheuer, wie die Diener erzählen?«
Renata lachte, sah aber immer noch besorgt aus. »Nein, wirklich nicht. Sie ist das liebste, süßeste Kind, und hat mir bisher nur ihre fügsamste und liebevollste Seite gezeigt. Aber – oh, Allart, es stimmt! Ich ängstige mich um sie. Sie hat ein wirklich schreckliches Laran, und ich fürchte mich vor dem, was ich ihrem Vater sagen muß! Ich kann gar nicht anders, als ihn zornig stimmen.«
»Ich habe sie nicht mehr als ein paar Minuten gesehen«, sagte Allart. »Donal erklärte mir, wie er die Spielzeug-Gleiter kontrolliert, und sie kam herunter und bettelte, mit uns fliegen zu dürfen. Donal sagte, sie müsse Margali fragen, er würde nicht die Verantwortung dafür übernehmen, sie mitmachen zu lassen. Sie war sehr verärgert und ging verdrossen davon.«
»Aber sie hat sich ihm nicht widersetzt?«
»Nein«, antwortete Allart. »Sie zog einen Schmollmund und sagte, daß er sie nicht liebe, aber sie gehorchte ihm. Ich würde sie auch nicht fliegen lassen, ehe sie nicht eine Matrix kontrollieren kann, aber Donal sagte, ihm hätte man schon mit neun Jahren eine gegeben, und er habe es ohne Schwierigkeiten gelernt. Offenbar kommt das Laran schon in frühen Jahren zu den Angehörigen der Delleray-Sippe.«
»Oder zu denen von Rockraven«, bemerkte Renata. Sie wirkte noch immer besorgt. »Ich würde Dorilys jetzt noch keine Matrix anvertrauen; vielleicht niemals. Aber darüber werde ich später sprechen. Lord Aldaran will mich empfangen. Und ich darf ihn nicht warten lassen.« »Nein, das darfst du wirklich nicht«, bestätigte Allart, und Renata überquerte grübelnd den Hof.
Vor dem Empfangszimmer von Lord Aldaran stieß sie auf Dorilys. Das Mädchen sah heute beherrschter und zivilisierter aus. Ihr Haar war sorgsam zu Zöpfen geflochten, und sie trug eine bestickte Schürze. »Ich möchte hören, was du meinem Vater über mich sagst, Cousine«, sagte sie und ließ ihre Hand vertrauensvoll in die Renatas gleiten. Renata schüttelte den Kopf. »Es ist für kleine Mädchen nicht gut, den Beratungen der Älteren zuzuhören«, sagte sie. »Ich muß viele Dinge sagen, die du nicht verstehen würdest. Ich gebe dir mein Wort, daß dir alles, was dich betrifft, erzählt werden wird, wenn es an der Zeit ist. Aber jetzt ist es noch nicht so weit, Dorilys.«
»Ich bin kein kleines Mädchen«, sagte Dorilys und schürzte die Lippen. »Dann solltest du dich auch nicht so benehmen, und weder schmollen noch mit dem Fuß aufstampfen, als seist du erst fünf Jahre alt! Das wird mich sicher nicht davon überzeugen, daß du alt genug bist, um Gesprächen über deine Zukunft zuzuhören.«
Dorilys wirkte aufsässiger denn je. »Was glaubst du, wer du bist, daß du so mit mir sprichst? Ich bin eine Lady Aldaran!«
»Du bist ein Kind, das eines Tages die Lady Aldaran sein wird«, bemerkte Renata nüchtern, »und ich bin die Leronis, die dein Vater für geeignet hält, mit der Pflicht betraut zu werden, dir das Benehmen beizubringen, das deinem hohen Rang angemessen ist.«
Dorilys zog ihre Hand zurück und starrte trotzig zu Boden. »Ich will nicht, daß man so mit mir spricht! Ich werde mich bei meinem Vater über dich beschweren, und er wird dich wegschicken, wenn du nicht freundlich zu mir bist!«
»Du kennst die Bedeutung des Wortes Unfreundlichkeit nicht«, sagte Renata milde. »Als ich als Novizin in den Turm von Hali eintrat, um die Kunst einer Überwacherin zu erlernen, durfte vierzig Tage lang niemand mit mir sprechen und mir in die Augen blicken. Das diente dazu, die Verläßlichkeit meines Laran zu stärken.«
»Damit hätte ich mich nicht abgefunden«, sagte Dorilys. Renata lächelte.
»Dann hätte man mich mit dem Wissen nach Hause geschickt, daß ich nicht die Kraft und Selbstdisziplin besäße, das zu lernen, was ich lernen mußte. Ich werde nie unfreundlich zu dir sein, Dorilys, aber du mußt, bevor du anderen Befehle erteilen kannst, erst einmal lernen, dich selbst zu beherrschen.«
»Aber bei mir ist das anders«, wandte Dorilys ein. »Ich bin eine Lady Aldaran, und befehle schon jetzt allen Frauen im Schloß – und auch den meisten Männern. Du bist nicht die Lady deines Reiches, nicht wahr?« Renata schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich bin eine Turm-Überwacherin. Und selbst ein Bewahrer wird so erzogen. Du bist dem Freund deines Bruders, Allart, begegnet. Er ist Regent von
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