Herrin des Blutes - Thriller
gegenüber ein Wort darüber verlieren.«
Allyson öffnete blinzelnd die Augen. Zwei Häuser weiter spielten zwei Kinder mit einer Frisbeescheibe, die im Dunkeln leuchtete. Irgendwo kläffte ein Hund. Durch ein Fenster des Hauses zu ihrer Rechten konnte sie das warme Leuchten eines Fernsehers sehen. Sie stellte sich eine Familie vor, die vor dem Gerät versammelt saß und die vertraute, tröstliche Abendunterhaltung genoss. Auch wenn ein Teil von ihr Abscheu empfand, es einzugestehen, so hatte sie das Leben in der Vorstadt doch zu schätzen gelernt. Es war etwas Gutes und konnte vielleicht sogar mit Glückseligkeit einhergehen.
Sie klappte das Telefon ohne ein weiteres Wort zu. Sie drehte sich um und ging nach Hause.
Kapitel 4
Miss Wickman betrachtete den Jungen auf dem Boden mit einem Lächeln. Sein Name lautete Terry. Seine tote Schwester hieß Sherry. Furchtbar fantasielose Eltern. Kein Wunder, dass die Geschwister im Laufe der langen, blutigen Feierlichkeiten des Abends wie vorherzusehen komplett zusammengebrochen waren. Bei diesen Kindern handelte es sich um Flüchtlinge aus dem flacheren Ende des Genpools. Nicht dass das eine Rolle spielte. Miss Wickman bevorzugte zwar etwas intelligentere Opfer, aber letzten Endes war sie eine Sadistin, die durchaus Wert auf Gleichberechtigung legte.
Dieser Terry hatte ein hübsches, aber langweiliges Gesicht, zumal er durch seine Dickleibigkeit, die sie als wirklich geschmacklos empfand, deutlich an Attraktivität einbüßte. Er starrte sie mit weit aufgerissenen, flehenden Augen an. Rotz tropfte aus seinen Nasenlöchern. Ein langer roter Striemen verunstaltete seine farblosen, aber hübschen Gesichtszüge zusätzlich. Die blutige Unterlippe zitterte unkontrolliert.
»Bitte, tun Sie mir nicht … wieder weh«, winselte er, und von seinen Lippen spritzte Blut. »Ich h-hab’s getan. Hab gemacht, was Sie mir a-aufgetragen haben.«
Miss Wickmans Lächeln wurde noch breiter. »Ja, das hast du.« Sie klatschte langsam und höhnisch in die Hände. »Und herzlichen Glückwunsch auch zum Mord an deiner Schwester.« Sie beugte sich zu ihm und das lange braune Haar fiel ihr bis über die Schulter. »Ich habe den Enthusiasmus deiner Tat wirklich bewundert. Diese Wildheit. Man hätte beinahe glauben können, es stecke noch mehr dahinter als nur ein feiger Tauschhandel – dein Leben für ihres.«
Sie blickte zu dem Jungen hinüber, der neben Terrys Kopf kniete und die drei Finger seiner linken Hand um den Griff eines breiten, glänzenden Messers krallte. »Hattest du nicht auch den Eindruck, dass Terry es genossen hat, seine geliebte Schwester zu töten, Dean?«
Dean sah sie mit leeren, tief liegenden Augen an, über die Strähnen seines langen fettigen Haars fielen. »Ja, Ma’am.« Er presste die Klinge des Messers an Terrys zitternde Kehle. Aus der kleinen Schnittwunde tropfte Blut und der dem Tode geweihte Junge kreischte auf. »Wenn ich so darüber nachdenke … Ich glaube, es hat ihn sogar richtig angetörnt.«
Miss Wickman nickte. »Ja, ich denke, da hast du völlig recht. Weißt du, Terry, es reizt mich, das Barbarische zu enthüllen, das in jedem von uns steckt. Die Menschen werden gelehrt, hinter einer Maske des Anstands zu leben und sich entsprechend einer Reihe willkürlicher Vorstellungen von Recht und Unrecht zu verhalten. Du hast die gesamten 18 Jahre deines elenden Daseins mit dieser eng sitzenden Maske zugebracht, aber heute Nacht haben wir sie dir vom Gesicht gerissen. Heute Nacht haben wir die hässliche, feige Bestie zu Gesicht bekommen, die seit jeher in den Tiefen deines nun auf furchtbare Weise beschmutzten Herzens lauerte.«
Wut flammte in Terrys Augen auf. »Fick dich. Fick dich und all deine bösen kleinen Helfer. Willst du mir noch die ganze beschissene Nacht lang irgendwelche Vorträge halten oder bringst du mich verdammt noch mal endlich um?«
»Jungs, haltet Terry bitte gut fest. Dean, sorg dafür, dass er den Kopf nicht bewegen kann.«
Terrys plötzlicher Wutanfall erstarb, und einmal mehr verzerrte Todesangst sein Gesicht. »Nein. Ich tue alles. Ich bring jeden um. Was immer Sie wollen.«
»Es tut mir wirklich leid, mein Lieber. Aber ich fürchte, du bist einfach zu langweilig, um dich in die Reihen meiner Schüler aufzunehmen.« Aus Miss Wickmans Stimme sprach Langeweile mit einem Unterton gespielten Bedauerns – die Parodie eines Arbeitgebers, der einen Bewerber ablehnt. »Deshalb wirst du jetzt auch sterben.«
Sie stellte sich so hin,
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