Herrin des Blutes - Thriller
die Hände hinter ihrem Rücken und schritt vor den Männern auf und ab wie ein Militärausbilder, der seine Begrüßungsrede vor den neuen Rekruten hält. »Dies ist nichts weiter als ein Kommandowechsel. Eure Schwarze Brigade wird weiterhin bestehen. Wenn überhaupt, werdet ihr von nun an über noch mehr Macht verfügen als bisher.«
Giselle hielt einen Moment lang inne, um ihre letzten Worte sacken zu lassen. Ein hungriger Glanz trat in die Augen einiger Männer. Giselle nahm an, dass die Botschaft angekommen war. Diese Männer hatten bislang einer Art Elitetruppe angehört, aber nun agierten sie mit einer Kraft im Rücken, die weitaus größer war als die ihrer verstorbenen Meisterin.
Giselle fuhr fort: »Ich muss unter vier Augen mit eurem obersten Offizier sprechen. Der Rest von euch geht zurück an die Arbeit.«
Bis auf einen verließen alle Männer hastig das Zimmer und die große Tür knallte hinter ihnen ins Schloss. Der Offizier der Schwarzen Brigade, der bei ihr geblieben war, entpuppte sich als hagerer Mann mit kalten blauen Augen und kurz geschorenem grauen Haar. Er warf einen flüchtigen Blick auf die Leichen von Miss Wickman und Captain Girard. Giselle beobachtete ihn genau, aber seine Augen verrieten nicht das Geringste. Welchen Schock er angesichts dieser dramatischen Wende auch empfunden haben mochte, er war bereits darüber hinweg.
Giselle trat so nahe an ihn heran, dass sie ihn beinahe berühren konnte. »Und wie heißen Sie?«
Das Gesicht des Mannes blieb vollkommen ausdruckslos, als er erwiderte: »Lieutenant Schreck, Meisterin.«
Giselle musste ein Grinsen unterdrücken.
Meisterin.
»Die Schwarze Brigade steht nun unter Ihrem Kommando, Schreck. Alle, die Ihnen rangmäßig überlegen sind, werden degradiert oder eliminiert.« Giselle lächelte. »Je nachdem, was Sie für nötig erachten.«
Einer seiner Mundwinkel zuckte, das erste Anzeichen einer Gefühlsregung, die sich hinter der Maske kühler Gleichgültigkeit verbarg. »Verstanden.«
Giselle setzte sich ans Ende des Bettes. Sie schlug die Beine übereinander und legte die Pistole neben Miss Wickmans reglose Füße. »Bringen Sie mich auf den aktuellen Stand, Schreck. Erklären Sie mir alles, was ich über diesen Ort wissen muss.«
Lieutenant Schreck räusperte sich und begann mit einer prägnanten Auflistung der wichtigsten Fakten. Einiges von dem, was sie erfuhr, verstärkte ihre Verachtung für Miss Wickman umso mehr. Ihr Umgang mit den Sklaven beispielsweise zeugte von einem erbärmlichen Mangel an Vertrauen in ihre Fähigkeit, einen Aufstand wie jenen zu verhindern, der den Meister zu Fall gebracht hatte. Das würde sich unter der neuen Führung ändern. Entschieden angenehmer war hingegen, was sie über Miss Wickmans Bemühungen erfuhr, die Überlebenden aus dem einstigen Reich des Meisters zusammenzutreiben. Auch Giselle wollte diese Menschen wiedersehen.
Als Schreck seine Ausführungen beendet hatte, nahm Giselle sich einen Moment Zeit, um über alles nachzudenken. Sie sah zu Miss Wickmans Leiche hinüber und spürte ein Kribbeln, eine Art geisterhaftes Echo der mächtigen erotischen Anspannung, die während ihrer kurzen, aber geradezu elektrischen Begegnung durch ihren Körper geflossen war. Das Kribbeln verstärkte sich, und Giselle wurde sich einer Lust bewusst, die noch nicht befriedigt war.
»Sagen Sie, Lieutenant, Sie sind doch sicher mit sämtlichen Schülern hier vertraut, nicht wahr? Welche der Elevinnen ist, Ihrer Ansicht nach, die attraktivste?«
Schrecks Antwort folgte ohne Zögern: »Das ist Ursula, Meisterin.«
»Sorgen Sie dafür, dass sie zu mir geschickt wird. Aber zunächst …« Giselle drehte ihren Kopf, schielte zur geöffneten Glastür und betrachtete den roten Himmel dahinter. »Schaffen Sie die Leiche dieser Fotze von hier fort und verbrennen Sie sie in der kargen Landschaft dort draußen. Ich möchte von meinem Balkon aus dabei zusehen.«
»Ganz wie Ihr wünscht, Meisterin.«
Sie entließ ihn mit einer Handbewegung und er eilte sofort aus dem Zimmer. Giselle stand vom Bett auf und trat auf den Balkon. Sie beobachtete die winzigen Gestalten der schuftenden Sklaven mit ihren Kapuzen und dachte darüber nach, was Schreck ihr über das Gebäude erzählt hatte, das sie bauten.
Eine echte Pyramide, sinnierte sie und wurde erneut von tiefer Verwunderung erfüllt, als sie es sich bildlich vorstellte.
Sie lächelte.
Sie hätte sich keine trefflichere Grabstätte für die vielen Opfer vorstellen
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