Herrin des Blutes - Thriller
Schauer über den Rücken, als sie seine Stimme hörte. Chad kehrte vom Toilettenhäuschen zurück, setzte sich neben sie und legte einen Arm um ihre Schulter. Sie kuschelte sich eng an ihn und legte ihren Kopf auf seine Brust.
Jim unterbrach seinen Gesang, um weitere Bluestakte auf der Mundharmonika anzustimmen. Er stand auf und intonierte den Refrain des Songs mit einer Leidenschaft, die absolut mitreißend war:
»Devil come a’risin’
Devil gonna come
Devil on the highwaaaaaaaay
Devil on the way.«
Jims gesamter Körper geriet in Bewegung. Oder zumindest sah es für Allyson auf der anderen Seite des Lagerfeuers so aus. Er rollte in bester Ray-Charles-Manier mit dem Kopf, während sich der Rest seines Körpers zu dem Rhythmus bewegte, den der Gitarrist auf seiner Gitarre trommelte. Jim wirkte wie ein Besessener, als das Lied immer schneller wurde und sein Gesicht von wilden Zuckungen erfasst wurde. Er streckte seine Hände in einer Art Gebetsgeste vor dem Körper aus. Allyson beobachtete das Schauspiel mit wachsender Ehrfurcht. Die Luft stand definitiv unter Strom. Und das war auch kein Wunder. Der Mann galt aus gutem Grund als lebende Legende.
Der Rhythmus klang langsamer und getragener, während der Gitarrist weiter mit der flachen Hand auf den Bauch seiner Gitarre klopfte und Jim erneut zu singen begann:
»Devil come a’risin’
Devil gonna come
Devil at the crossroads
Think I might explode.«
Jim riss die geballte Faust in die Höhe und nahm eine Pose ein. Der Gitarrenspieler hörte auf zu trommeln, schob die Gitarre auf seinen Schoß und zupfte eine sanfte, eindringliche Sequenz, die aus einer Reihe sehnsüchtiger Töne bestand und sich anfühlte wie ein kalter Windhauch, der über ein offenes Feld wehte.
Jim senkte seine Faust langsam und brachte den Song beinahe andächtig zum Abschluss:
»Reckon time has come to pay that bill
Devil comin’ up that hill
Lord, I always knew this day would come
Time to get … gone.«
Die letzten Worte sprach er eher, als dass er sie sang. Jim senkte den Kopf und faltete die Hände vor dem Körper, während der Typ mit der Gitarre einige letzte Akkorde zupfte. Die allerletzten Töne schienen einen langen, schmerzlich schönen Moment in der Luft zu hängen. Dann verhallten sie, und es waren nur noch das Knistern des Lagerfeuers und die Hintergrundgeräusche der nächtlichen Wildnis zu hören.
Allyson stieß den Atem aus, den sie unbewusst angehalten hatte.
Eine junge Frau zu ihrer Linken sagte: »Unglaublich! Was war das?«
Chad reckte den Hals, um an Allyson vorbeisehen zu können, und antwortete: »Das war Pay the Devil, ein alter Blues-Klassiker.«
Jim stand noch immer auf der anderen Seite des Feuers. Er verstaute die Mundharmonika in der Hemdtasche und schüttelte eine Zigarette aus der Packung. »Der Mann hat recht. Die Version von Blind Cat Jones aus den 1930ern dürfte die bekannteste sein.« Er zündete die Kippe an und ließ sie in den Mundwinkel wandern. »Ich hatte die mal auf ’ner alten 78er.« Er lächelte und blies eine Rauchwolke aus. »Die gibt’s aber längst nicht mehr, genau wie die meisten anderen Dinge aus meiner Vergangenheit.«
Allyson überraschte sich selbst, als sie das Wort ergriff. »Die Nummer hab ich schon mal gehört.« Sie schenkte Jim über das Lagerfeuer hinweg ein Lächeln und spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam, als sich auch seine Mundwinkel nach oben zogen. »Ich habe vor Jahren mal eine Dokumentation über Delta Blues auf PBS gesehen. Die Version von Blind Cat war wunderschön, aber deine fand ich unglaublich.«
Jim stieß noch mehr Qualm aus. »Ich möchte dir in aller Bescheidenheit danken, Allyson. Und wenn ihr guten Menschen nichts dagegen habt, werde ich mich jetzt für den Rest des Abends zurückziehen.«
Er schnipste den Stummel ins Feuer und entfernte sich in Richtung der Hütten. Zwei mit Maschinengewehren bewaffnete Männer in Tarnanzügen reihten sich hinter ihm ein und folgten ihm den Abhang hinunter. Auch ein paar der anderen, die um das Feuer versammelt saßen, begannen, ihre Sachen zusammenzusuchen und machten sich auf den Weg. Allyson blieb, wo sie war, und beobachtete, wie Jim und seine Leibwächter immer wieder aus den Schatten auftauchten und darin verschwanden, während sie den kleinen Hügel hinunterstapften. Als sie ihr Ziel erreichten, verschwand Jim durch eine Tür und die Wachen bezogen Position zu beiden Seiten der kleinen Hütte. Sie fragte sich, wie es in seinem Inneren
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