Herrin wider Willen
Anwesen ein Versteck für die Frauen und Kinder?«
Luise sah sie merkwürdig betreten an, ließ dann den Blick über die anwesenden Frauen schweifen, bevor sie mit den Schultern zuckte. »Mit acht säße man schon dicht auf dicht. Wir sind zwölf.«
»Ich geh nicht in ein Loch«, meldete sich die abgehärmte Frau Schwarke zu Wort. »Wenn ihr nur die Kinder mitnehmt.«
Frau Flügge nickte. »Die Kinder. Und meine Schwester muss mit, die hält die Soldaten nicht nochmal aus. Wir beide wissen dann schon, wann wir den Kopp einziehen.« Sie drückte der Schwarke’schen die Hand und tauschte einen Blick des Einverständnisses mit ihr.
Luise nickte, zählte ernst an den Fingern rückwärts. »Die Behnsche geht nicht, und Erna nicht.«
»Mein Hinnerk wird bei den Männern bleiben. Ich kann ihn zu nichts mehr zwingen«, ergänzte Frau Schwarke.
»Macht vier Frauen und vier Kinder. Das wird gehen.«
»Wo?«, fragte Ada.
Luise schüttelte den Kopf. »Das erfährt nur, wer dann mitgeht. Wir wissen noch nicht, ob wir gehen müssen.«
»Warst du beim letzten Mal auch dort?«
Ein sichtbarer Schauder überlief Ludwigs Tochter. »Mit Heinrike. Wir sind zu früh herausgekommen.«
Drückendes Schweigen ließ eine dunkle Geschichte ahnen, die Ada jetzt nicht hören wollte. »Dennoch. Wir müssen vorbereitet sein. Alle, die mitgehen sollen, müssen sich in der Küche sammeln. Legt Vorräte bereit. Und lass das hier nicht aus den Augen.« Sie reichte Luise das Wachstuchbündel, raffte den Rock und lief den Männern nach.
Noch bevor sie die Haustür erreicht hatte, kam Dierk ihr entgegen. »Sie sind mit’nem Einquartierungsschein da. Der Herr versucht, sie wegzuschicken, aber wir sollen uns darauf gefasst machen, dass wir morgen das Haus voll Offiziere haben.«
Er kehrte um und rannte über den Hof zurück zum Tor. Ada lief ihm nach und drängte sich auf der Turmtreppe neben ihn, um der Verhandlung zuzuhören.
»Ich kann nur wiederholen: Mein Gut ist neutraler Boden, und ich bin keiner Kriegspartei verpflichtet«, sagte Lenz.
»Das könnt Ihr wiederholen, so oft Ihr wollt, aber ich habe diesen Schein und sage: Entweder Ihr lasst uns auf den Hof, oder der Herr begleiten uns zum Lager und verhandeln persönlich mit dem Kommandanten. So ist die Order. Sonst bringen wir ein kleines Geschütz und machen uns eine eigene Tür in Eure Mauer.«
»Wer mich sprechen will, soll mich aufsuchen.« Lenz ballte eine Faust und schlug in wütendem Rhythmus gegen die Steinwand. Die Männer von unten konnten es nicht sehen, Ada schon. Sie durchschaute ihn längst gut genug, um zu wissen, dass er sich innerlich darauf vorbereitete, die Soldaten in ihr Lager zu begleiten. Ihr wurde kalt.
»So heißt es nicht in der Order«, sagte der Soldat von draußen. Seine Stimme hatte einen höhnisch quäkenden Beiklang.
»Lass dich nicht darauf ein«, flüsterte sie flehentlich.
Lenz warf ihr über die Schulter einen flüchtigen Blick zu, der sie wohl beruhigen sollte, aber das Gegenteil bewirkte. Er schien schon zum Mitgehen entschlossen.
»Ich nehme an, Euer Kommandant ist gut mit Graf Ferdinand von der Wenthe-Heidmark bekannt«, sagte er. »Wahrscheinlich schickt mein verehrter Onkel Euch her, weil er selbst nicht mehr genug Platz für so viele Gäste hat?«
Der Soldat lachte. »Sagen wir, Euer Onkel ist der Ansicht, dass Ihr mehr Platz habt, als Euch gebührt.«
»Ist das auch die Erklärung dafür, warum Ihr jetzt zum Einquartieren kommt, obwohl das Heer von Stund zu Stund auf den Marschbefehl wartet? Die Schweden sollen doch schon nah sein.«
»Sorgt Euch nicht. Für einen Rundgang durch Euer Haus wird unsere Zeit noch ausreichen. Und was die Frage betrifft: Kommt mit uns und findet die Antwort heraus.«
Lenz drehte dem Fenster den Rücken zu und flüsterte. »Waren die Schuldscheine in dem Bündel?«
»Ich weiß nicht.«
»Sieh nach. Schnell.«
Ada fiel vor Eile beinah die enge Treppe herunter, bevor sie unten die Holzpantinen von den Füßen schleuderte und barfuß durch die Pfützen rannte.
Das Bündel lag mitten auf dem Küchentisch, auf dem die Frauen Vorratskörbe rüsteten. Zur Verblüffung aller riss Ada es an sich und hockte sich damit auf den Boden: Stapel von Schuldscheinen, nicht nur von Graf Ferdinand. Mindestens ein Dutzend weitere Namen sah sie beim Durchblättern. Entscheidend aber war, dass die Summe der Schuldscheine auf Ferdinands Namen überwältigend hoch war. Mit flinken Fingern sortierte sie sie heraus, schlug das
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