Herrin wider Willen
ein.
Geweckt wurde sie vom erneuten Läuten einer Alarmglocke. Der Klang war dünner als der von der Torglocke, es war die kleinere, von der hinteren Leiter. Ada sprang aus dem Bett, riss sich das Kleid über den Kopf und stopfte die notdürftig zum Knoten geschlungenen Haare unter die Haube.
Im Laufen band sie noch ihren besseren Kragen um, rieb sich die Augen und Wangen, um weniger verschlafen zu wirken. Als könne bei dem matten Mondlicht überhaupt jemand viel von ihr sehen.
Gleichzeitig mit Jakob, Dierk und Bauer Schwarke lief sie auf die Leiter an der hinteren Mauer zu, da läutete auch die große Glocke am vorderen Tor. Aus den Wohnungen am Stall kam Frau Flügges Schwester Tilde mit den schlaftrunkenen Kindern, die im Notfall ins Versteck gebracht werden sollten. Alles war besprochen, jedem seine Aufgaben eingeprägt.
Hans Flügge gab von der Leiter aus Ada mit der Hand das Signal, nach vorne zu laufen. »Eine Armee. Es sind viele«, rief er.
Auf dem Turm drängte Ada sich neben Bauer Flügge an das kleine Fenster und sah fassungslos auf die dunkle Heide, über die eben die Sonne die ersten Strahlen schickte. In einiger Entfernung vom Gut zog bei Fackellicht ein Heer von Reitern, Wagen, Fußgängern und Vieh von Süden nach Norden, wie eine schwarze Riesenschlange. Kein Anfang und Ende war zu sehen.
Ein Trupp von Reitern näherte sich dem Gut.
»Wie lange beobachtet ihr das schon?«, erkundigte Ada sich bei Flügge.
Der warf einen Blick auf das Stundenglas, in dem der Sand zur Hälfte durchgerieselt war. »Drei Stunden wohl. Wir hatten Hoffnung, dass sie uns nicht bemerken, deswegen wollten wir nicht läuten.«
»Sie haben uns bemerkt«, sagte Ada und seufzte. Während sie die Lichtpunkte des Reitertrupps näher kommen sah, nahm sie die Haube ab, knotete die Haare sorgfältiger und richtete dann Haube und Kleidung so anständig wie möglich her.
Bauer Flügge sah sie flüchtig von der Seite an, hielt aber den Mund. Sie roch seinen Angstschweiß. »Wird schon gutgehen, Flügge.« Nicht dass sie daran geglaubt hätte, aber so schlecht klang sie nicht, fand sie. Sie räusperte sich und straffte die Schultern. »Nun hol Er mir mal Ottman«, sagte sie, und fester hatte auch Lenz hier auf dem Turm nicht geklungen.
Es waren die Schweden, die da über das Land zogen.
Der schwedische Hauptmann, der mit Ada in Verhandlung trat, sprach ein so raues, fehlerhaftes Söldnerdeutsch, dass sie sich angespannt in die schmale Fensternische hineinbeugte, um nur ja alles zu verstehen.
Sie konzentrierte sich darauf, ihre Stimme laut und sicher klingen zu lassen, als würde sie täglich derartige Verhandlungen führen. Die Schweden wollten nicht in der Nähe lagern, sie zogen durch, denn sie sollten eilig nach Bleckede an der Elbe geführt werden.
Ada wusste, dass die schwarze schwedische Heerschlange den katholischen Haufen einfach verschlucken würde, sollte er ihr in den Weg geraten. Und mit dem Haufen würde Lenz untergehen, falls er noch lebte.
Der Schwede mit dem blonden Bart bat wie erwartet um Fourage, und nun zögerte Ada doch. Sie wusste, was sie ihm zugestehen konnte, damit er das Gut verschonte. Darüber hinaus kam ihr nun noch etwas anderes in den Sinn. Jeder Mann hätte sie dafür verlacht, aber ihr Gefühl ließ nichts anderes zu. »Mein Gemahl, Graf Lorenz von der Wenthe, ist in Geschäften unterwegs. Er ist kein Unterstützer der katholischen Sache, könnte aber unfreiwillig in die Hände Kaiserlicher Soldaten geraten sein. Solltet Ihr ihn antreffen, so möchte ich bitten, Ihr möget seinen neutralen Stand respektieren und für seinen Schutz sorgen, damit er hierher zurückkehren kann.«
Sie ließ ihre Worte wirken, ohne ein Angebot zu machen. Der schwedische Hauptmann trieb sein Pferd ein paar Schritte näher zum Tor und gebot seinem Dutzend Begleiter zu bleiben, wo sie waren. »Nicht freiwillig?«, sagte er voll Spott. »Woran soll ich das erkennen, Frau Gräfin? Das wird nicht einfach sein.«
»Dass der junge Herr von der Wenthe nicht auf Seiten der Katholiken ist, könnt Ihr daran erkennen, dass er Euch unterstützt. Durch mich.«
»Das lässt sich hören«, sagte der Schwede und sah ihr herausfordernd ins Gesicht. Er hatte eine so große Nase wie König Gustav Adolf von Schweden selbst, wenn den Kupferstichen zu trauen war, die Ada von ihm gesehen hatte. »Was bietet Ihr für Unterstützung?«
»Eine tragende Kuh, acht Jungrinder, drei Schweine und drei Flaschen guten Wein für Euch
Weitere Kostenlose Bücher