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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Wachstuch wieder über den Rest und sprang auf. Sie zeigte auf das Tuch und rief »Nicht aus den Augen lassen!« in die Runde, dann rannte sie zu Lenz zurück. Außer Atem kam sie auf dem Turm an, als Lenz das Palavern gerade aufgegeben hatte.
    »Ich muss mit ihnen gehen«, begrüßte er sie. »Hast du die Scheine?«
    Sie zeigte sie ihm, zum Sprechen war sie zu aufgelöst.
    Er warf einen Blick darauf und gab sie ihr zurück. »Behalt sie und versteck sie wieder. Wenn jemand fragt, dann liegen sie in Lüneburg bei einem Advokaten, hörst du? In Lüneburg, nicht Hermannsburg. Sonst schneidet er am Ende noch Eckermann die Kehle durch.«
    »Wenn du damit verhandeln musst, solltest du wissen, dass es eine unfassbare Summe ist, Lenz. Dein Onkel würde damit bankrott gehen.«
    »Falls er hinter dieser Attacke steckt, wird das helfen.«
    Er trat ganz vom Fenster weg. Während Dierk seinen Platz dort einnahm und vorsichtig hinunterspähte, nahm Lenz sie in den Arm. »Jetzt wünschte ich, Christopher wäre noch hier, dann wüsste ich, dass jemand auf dich aufpasst. Ich versuche schnell wiederzukommen, aber sei auf das Schlimmste gefasst. Such Verstecke für alles, was wichtig ist. Und wenn ich nicht wiederkomme, dann schlägst du dich mit Dierk nach Bristol durch, zu Cartons. Henry und Christopher werden dir helfen, an mein Vermögen zu kommen. Pass auf das Geld für den Bezoar auf, damit kannst du reisen. Kümmere dich dann nur um euch beide.«
    »Ich gebe auf mich Acht. Tu dasselbe.«
    Nur für einen raschen Kuss blieb noch Zeit, unten kam Jakob über den Hof gelaufen und meldete alle Männer auf kampfbereitem Posten. Lenz ließ sich von ihm ein Pferd satteln, und wenig später war er mit den Soldaten verschwunden.
    Ihre Verzweiflung zur Seite schiebend, befasste sich Ada damit, Schätze, Vorräte und Menschen zu verstecken. Sie ließ das Vieh wieder von den Weiden holen und stellte fest, dass ein Teil bereits abhandengekommen war. Sie gab Anweisungen für den Fall des Angriffs oder der Einquartierung aus.
    Dabei wusste sie, dass die Vorsorge wenig nützen würde, wenn sich eine wilde Horde Einlass verschaffte. Zwar konnte niemand Luises geheimes Versteck verraten, aber lange konnten ein paar Frauen und Kinder es nicht in irgendeinem Loch aushalten. Schon gar nicht, wenn es keine Hoffnung darauf gab, dass jemand die Belagerer wieder fortjagte.
     
    Lenz kam an jenem Tag nicht zurück, und auch nicht am nächsten.
    Ada stand am Abend an ihrem offenen Fenster und sah auf den nassen Obstgarten, dann weiter über die Mauer zum Friedhof, der in der grauen Dämmerung düster dalag.
    Wenn er tot ist, dann ist es Gottes Strafe für unsere Sünde, dachte sie. Für ihren Ehebruch und für ihre Anmaßung, Glück vom irdischen Leben zu erwarten, statt erst vom jenseitigen oder vom Glauben allein. So hätte es jeder Pastor erklärt.
    Aber ihr Glaube war nie stark und demütig gewesen. Sie hatte unter der harten Hand ihres Vaters gelernt, Frömmigkeit vorzugeben und die Regeln der Kirche zur Zufriedenheit der Gesellschaft zu befolgen. Das alles, ohne Gott je nah zu sein. Die Religion hatte sie nie trösten oder stützen können wie andere Frauen. Wie viele andere Mütter hatte sie zu Gott gebetet, ihr kleines Kind behalten zu dürfen. Hätte er ihr das gewährt, dann hätte sie ihre Haltung vielleicht geändert. Aber sie hatte nie auch nur für einen Augenblick das Gefühl gehabt, dass er ihr zuhörte.
    Früher hatte sie sich deshalb manchmal minderwertig gefühlt. Wenn sie so gar nichts von ihm spürte, dann musste es daran liegen, dass er sie nicht wollte, hatte sie gedacht. Doch im Laufe der Jahre, in denen sie viel darüber gehört hatte, auf welch grausige Weise die christlichen Konfessionen sich stritten und bekriegten und Gott für sich beanspruchten, ohne dass der sich je rührte, hatte sie sich beruhigt. Gott schien eben an den Menschen im Allgemeinen wenig zu liegen.
    Zum Himmel zu beten war nur eine tröstliche Gewohnheit. Sie dachte dabei an ihre tote Mutter und alle Seelen, die ihr dort oben sonst noch freundlich gesinnt sein mochten.
    Trotz allem konnte sie die Lehre der Kirche nicht vergessen. Viele hundert Predigten hatte sie noch im Ohr: Du sollst nicht ehebrechen. Der heilige Bund der Ehe.
    Was, wenn die Soldaten Lenz umgebracht hatten? Was würde sie tun? Tatsächlich nach England reisen, wie er es gewünscht hatte? Sie verstand nicht einmal die Sprache.
    Müde vor Kummer schlief sie in ihrem Bett unter Lenz’ Decke

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