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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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vorfand. Sein Freund saß still auf einem Polsterstuhl beim Schrank, den Fenstern zugewandt, deren Vorhänge nur einen Spalt offen standen.
    Adas Kragen hing über einem der Stühle, ihre Haube lag darunter, seine und ihre Strümpfe waren noch weiter verstreut. Diese Sprache war deutlich genug, es hätte das zerwühlte Bett und den schwülen Geruch in der Luft nicht gebraucht. Wortlos ging Lenz an Christopher vorbei zu den Fenstern, öffnete eines davon und zog die Vorhänge ganz zur Seite.
    »Du bist früh aufgestanden«, sagte er.
    »Eckermann hatte das Geld noch gestern Abend zusammen.« Christophers Stimme klang so erschöpft und niedergeschlagen, wie er aussah. Sein Hemd war feucht, seine Haare waren noch nass, und seine Stiefel voller Schlamm.
    »Ich werde nachsehen, ob die alten Frauen ein Frühstück für uns haben. Du leistest uns doch Gesellschaft?«
    Christophers Blick wanderte zum Bett und blieb dort hängen. »Ich glaube nicht. Es ist …«
    Er verstummte gequält, und Lenz wurde von seinem Gewissen geplagt. »Es tut mir leid, Christopher. Aber …«
    »Du musst dich nicht entschuldigen. Die Sache ist nur …« Er griff hinter sich, nahm den Brief zur Hand, den er auf dem Boden gefunden haben musste, und hielt ihn Lenz hin. »Ihr seid gar nicht rechtmäßig verheiratet. Hätte ich das gewusst … Was willst du nun tun?«
    »Wenn du schweigst, werden wir verheiratet sein, bevor jemand den Unterschied merkt.«
    Christopher schüttelte den Kopf. »Wenn von Bardeleben sich nicht von ihr trennen will …«
    Lenz nahm ihm den Brief ab und faltete ihn klein. Das Feuer in der Küche würde ihn fressen. »Ada will nicht zu ihm zurück. Deshalb wird er sie gehen lassen. Andernfalls müsste er sich mit mir duellieren.«
    Während Lenz Strümpfe, Pantoffeln und seine Samtweste anzog, stützte Christopher die Ellenbogen auf die Knie, saß da und starrte auf den Boden. »Wie lange werdet ihr noch hierbleiben?«
    Lenz hätte es selbst gern gewusst. Nach wie vor war ihm jeder Tag ein Tag zu viel. »So kurz wie möglich. Aber du siehst, es ist noch einiges zu regeln. Wenn wir abreisen, ohne diesen von Bardeleben zu treffen, können wir unseren Ehestand nicht klären. Außerdem müssen wir für die Leute sorgen.«
    Wieder schwieg Christopher, dann lachte er bitter. »Die Rolle, die ich in diesem Stück gespielt habe, ist komischer, als du denkst, Lenz. Weißt du, ich habe als Kind einmal Vater und Mutter belauscht. Mutter war überzeugt davon, dass ihr Bruder Georg dein Vater war und nicht Ludwig von der Wenthe. Wenn es so wäre, hättet ihr gar kein Anrecht auf Wenthe. Hätte ich mich nicht eingemischt, wäre das Gut einfach dem Wenthe-Heidmark-Zweig zugefallen, und Ada wäre den grässlichen Märtens von allein losgeworden. Nach Celle zurückzukehren, hätte ihr unter den Umständen wahrscheinlich nichts ausgemacht.«
    »Wenn du dich nicht eingemischt hättest, dann wäre ich tot.«
    »Hätte ich mich nicht eingemischt, dann wärest du gar nicht unter das Soldatenpack und in Gefahr geraten.«
    »Ich werfe dir das nicht vor.«
    »Das brauchst du nicht. Ich tu es selbst. Lenz, ich bin entschlossen. Ich reise ab. Eine Weile allein zu sein, wird mir guttun.«
    »Aber du fährst nach Haus zu deinem Vater.« Unwillentlich war es Lenz herausgerutscht wie ein Befehl.
    Christopher lächelte spöttisch. »Mach dir keine Sorgen. Vater wird verstehen, dass du mich nicht bis ans Ende unserer Tage an der Hand führen kannst.«
    Lenz nickte, obwohl er sich sehr wohl Sorgen machte. »Ada sagt, da wäre ein Brief von ihm gekommen. Hast du den auch gefunden?«
    Christopher hatte ihn nicht gefunden, sie überflogen das Schreiben gemeinsam. Da keine bedeutenden Neuigkeiten darin standen, ließ Lenz Christopher in Ruhe lesend zurück, während er sich um das Frühstück kümmerte.
    Lenz wusste, dass Henry Carton es ihm nicht übelnehmen würde, wenn er Christopher gehen ließ. Das änderte nichts daran, dass er selbst sich wie ein Vater fühlte, dessen halbwüchsiger Sohn zum ersten Mal allein auf Reisen ging: beunruhigt, aber auch erleichtert. Christopher musste seinen eigenen Weg finden. Am besten weit weg von Ada.
     
    Christophers Abreise löste auch in Ada gemischte Gefühle aus. Bei allem Bedauern war sie ebenso erleichtert wie Lenz und genoss nach dem Abschied die neue Zweisamkeit mit ihm.
    Sie hatten viel Zeit füreinander, denn das Regenwetter dauerte an. Ada hatte den größten Teil des Viehs am Ende doch auf die Weiden geschickt,

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