Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
Vom Netzwerk:
deshalb gab es weniger Arbeit innerhalb der Mauern.
    Überflüssig wurde die Arbeit allerdings nicht, denn mit dem Angebot einer Umsiedlung stießen sie bei den Bauern auf Widerstand. Alle waren verstört, weil die Herrschaft sie verlassen wollte, aber ihr zu folgen, konnte sich außer dem jungen Hans Flügge niemand vorstellen. Besonders Luise nicht. »Ich gehöre nirgendwo anders hin«, sagte sie, verschränkte die Arme und schnaubte verbittert. »Auch wenn das Leben dann nicht mehr lang dauert. Wenn kein Herr hier ist, wird der Herr Graf von der Heidmark das Land über kurz oder lang in die Finger kriegen. Dann lässt er uns verhungern, er hasst uns Protestanten, und er hat das Gut immer schon haben wollen. Er hat es sich nur nicht geholt, weil der alte Herr Graf ihn im Griff hatte.«
    Ada hatte Lenz den Brief von Graf Ferdinand schließlich gezeigt, aber er hatte ihn abgetan wie den von Dietrich. Das Drohen hätte Ferdinand erstmal nur Papier gekostet, hatte er gesagt.
    »Womit hat Graf Ludwig seinen Bruder im Griff gehabt?« erkundigte sie sich bei den Versammelten.
    »So was weiß unsereins nicht«, sagte Ottman mit einem Schulterzucken.
    Ada beobachtete Luise, die nachdenklich auf ihre Filzpantoffeln blickte. »Luise?«
    Die Magd sah auf. »Er war mal sehr lustig an einem Abend. Es hatte was mit seinem Bruder zu tun. Ich denke, es waren Schuldscheine, die er gekauft hatte.«
    »Ich habe keine gefunden«, sagte Lenz.
    Keiner hatte bis dahin gemerkt, dass Dierk im Raum war. Hinter allen anderen hatte er mit dem Rücken an der Wand gehockt, nun sprang er auf. »Im Schatz. Er hat sie ganz sicher mit dem Schatz versteckt.«
    Gemurmel brach aus, teils belustigt, teils zustimmend. Lenz lachte. »Weißt du denn endlich, wo er ist, der Schatz? Ich weiß nicht mehr, wo ich noch suchen soll.«
    Ada sah ihn überrascht an. »Du hast danach gesucht?«
    Er nickte. »Ich war sicher, dass er im Bullenstall liegt, aber da hatte ich mich geirrt. Ich habe den Boden dort, wie du weißt, ganz aus der Nähe untersucht.«
    Adas Lachen und Lenz’ gute Laune steckten auch diejenigen an, die sonst nie gewagt hätten, sich über ihren jungen Herrn lustig zu machen. Nur Luise blieb völlig ernst, sie sah sogar noch angespannter aus als zuvor. »Wieso im Bullenstall?«
    »Es gab einen Hinweis, den ich so verstanden hatte«, gab Lenz Auskunft.
    Nun begriff auch Ada. »Lenz, der Bullenstall …«
    »De Düwel schall mi holen«, entfuhr es Ottman.
    »Der alte Stall«, sagte Luise.
    »… der Bullenstall ist abgebrannt«, fuhr Ada fort. »Da steht jetzt die neue Scheune.«
    Lenz starrte sie fassungslos an. »Herrgott, bin ich ein … Weiß jemand noch die Stelle, wo der Bulle gestanden hat?«
    Ottman nickte grimmig. »Oh ja. Die weiß ich gut.«
     
    In der Scheune mussten sie zuerst Heu, dann Gerätschaften und Ackerwagen zur Seite räumen, bevor sie graben konnten. Es dauerte eine Weile, bis sie die beiden kleinen Eichenkisten fanden, die im festgestampften Boden steckten.
    Fröhlich wie bei einem Volksfest ging es dabei zu. Die Sorgen waren im Fieber der Schatzsuche aus dem Blick verschwunden. Alle waren glücklich, sich mit der Arbeit in der Scheune ablenken zu dürfen, denn draußen hatte wieder der Regen eingesetzt.
    Lenz hätte die Kisten lieber ohne Zuschauer geöffnet, brachte es aber nicht über sich, die aufgeregten Leute zu enttäuschen. Daher sprengte er die rostigen Beschläge mit dem Spaten und ließ alle Anwesenden noch in der Scheune einen Blick auf den Inhalt werfen.
    Tatsächlich gab schon die erste der Kisten einen echten Schatz preis. Sie war bis zum Rand mit angelaufenem Tafelsilber und Schmuckstücken gefüllt. In der zweiten lag ein zehnfach verschnürtes Wachstuchbündel. Die Leute hatten Verständnis dafür, dass er dieses nicht in der Scheune öffnen wollte.
    Die Prozession zog durch den Regen ins Haus und dort in den Großen Saal, wo die Leute in respektvoller Entfernung einen Halbkreis um Lenz, die Kisten und das Bündel bildeten.
    Er hatte die Schnüre des Wachstuchbündels gerade zerschnitten, als draußen die Glocke vom Torturm Alarm läutete. Schwungvoll drückte er Ada das Bündel in den Arm, bevor er mit den anderen Männern nach draußen eilte. »Bring es in Sicherheit.«
    Ada war hin- und hergerissen zwischen dem Drang, mit Lenz zum Tor zu laufen, und dem Pflichtbewusstsein, das ihr befahl, zuerst für den Schutz der Frauen und Kinder zu sorgen. »Luise, das wollte ich dich längst fragen: Gibt es auf dem

Weitere Kostenlose Bücher