Herrin wider Willen
vorstellen, wie es Lenz ergehen mochte, denn es kamen ihr nur höllische Bilder vor Augen.
16
Gotthard Lobeke musste sich eingestehen, dass mit der jüngsten Schicksalswendung seine letzte Hoffnung zerschlagen war.
Er hatte die Tage gezählt, bis zum Ende der Frist, die er sich gesetzt hatte, bevor er mit seiner neuen Strategie beginnen wollte. Ein Besuch bei seiner Tochter hätte der Anfang sein sollen. Ein Besuch, wie ihn ein Vater machen durfte, um sich vom Wohlergehen seiner Tochter in ihren neuen Lebensumständen zu überzeugen. Vor Ort hätte er einen Weg gefunden, an ihrem Reichtum teilzuhaben und damit seine geschäftlichen Schwierigkeiten zu bewältigen. Seine Gläubiger rückten unbequem nah, die Zinsen waren hoch.
Dann hatte Dietrich von Bardeleben an die Tür geklopft, der Schwiegersohn, von dem er sich einst so viele Vorteile erhofft hatte, als er die Ehe mit dessen Großvater ausgehandelt hatte. Er hatte damals geschäftlich in Celle Fuß fassen wollen, hatte Grundstücke und Lagerhäuser gekauft, war aber daran gescheitert, Kunden in den besseren, zahlungsfähigen Kreisen zu finden. Der junge, lenkbare von Bardeleben hätte sein Schlüssel zu der neuen Kundschaft sein sollen.
Ein Reinfall, nicht erst mit dessen Verschwinden. Der Junge hatte sich als zu jung, der Großvater als zu alt erwiesen, um nützlich zu sein.
Zu seinem Leidwesen war der Totgeglaubte nun kein weichlicher Jüngling mehr, sondern ein schwieliger, angriffslustiger Kämpe, der sich nicht von ihm beeinflussen ließ. Er war mächtig laut geworden, als Lobeke ihm mitgeteilt hatte, dass er die Grundstücke und Lagerhäuser in Celle, aus denen Konrades Mitgift bestanden hatte, zurückgenommen und verkauft hatte und das Geld aus dem Erlös nicht mehr zur Verfügung stand. Sprach gleich von Gericht und Entschädigung, und ausnahmsweise zweifelte Lobeke, wer in diesem Falle Recht bekommen würde.
Vorerst war von Bardeleben wutschnaubend abgereist, um Konrade und ihren neuen Gemahl aufzusuchen und seine Ansprüche und Forderungen deutlich zu machen.
Lobeke hatte in der Dornse gesessen und an die Wand gestarrt, nachdem der junge Mann gegangen war. Alt hatte er sich gefühlt und zu ausgelaugt, um nach einer Lösung zu suchen.
Später war Stechinelli gekommen und nicht weniger entsetzt gewesen ob der überraschenden Wendung. Gemeinsam stellten sie fest, dass ihre Lage hoffnungslos sein würde, wenn es von Bardeleben gelang, Konrades neue Ehe für ungültig erklären zu lassen.
»Uns wäre am besten geholfen, wenn sie sich gegenseitig umbrächten«, meinte Stechinelli.
»Wie sollte das gehen? Einer stirbt immer zuerst.«
»Der eine bringt den anderen um und stirbt danach durch den Henker. Man könnte das einrichten.«
Lobeke schlug mit der Faust auf den Tisch. »Dass du immer wieder damit kommen musst, du mordgieriger Köter. Alles, was ich tun werde, ist, ihm nachzureisen. Vielleicht kann ich meinen Einfluss geltend machen und dafür sorgen, dass die zweite Ehe gültig bleibt.«
»Das wird vor Gericht eine langwierige Sache. Jahre wird es dauern, bis alles geklärt ist. Bis dahin hast du gar nichts, Lobeke. Du warst schon immer ein schwerfälliger Torfkopf, deshalb hast du alles heruntergewirtschaftet. Kannst du nicht dieses eine Mal etwas Witz aufbringen und deinen Vorteil begreifen? Ich werde schon alles regeln.«
»Ich will davon nichts wissen.«
Stechinelli war bereits an der Tür, nun drehte er sich noch einmal zu ihm um und spuckte vor dem Ofen auf den Boden. »Dann wisse eben nichts.«
Auf Wenthe gingen die Tage dahin, alle waren stumm und bedrückt, sie lebten unter einer Glocke aus Angst. Gelegentlich hörte man weit entfernt Geschützdonner. Einige Male sah eine Wache dunkle Gestalten um das Gut herumschleichen und schnüffeln, unschlüssig, ob die Beute zu stark für sie war.
Ada fror jeden Tag, fühlte sich unerklärlich müde und erlebte alles wie im Nebel. Nach der kurzen warmen Zeit Ende Mai war mit dem Regen Kälte gekommen. Nun war es Mitte Juni, und noch immer musste man mit nächtlichem Frost rechnen. Sie heizten dennoch nicht, um Holz zu sparen.
Am siebten Tag nach der Verhandlung mit dem schwedischen Hauptmann kam Stechinelli nach Wenthe.
Jakob holte Ada zum Tor, ohne den Fremden einzulassen. Als sie sah, wer draußen stand, fühlte sie einen solchen Widerwillen, dass sie ihn am liebsten von Jakob hätte fortschicken lassen. Da sie dazu aber zu viel Anstand hatte und er Neuigkeiten haben mochte,
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