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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Haupthauses. Früher hatten ihre Eltern hier geschlafen, doch daran erinnerte nichts mehr. Ada kannte keines der wenigen Möbelstücke.
    Neben dieser Kammer, deren Fenster zum Hof hin gingen, befanden sich im ersten Obergeschoss noch zwei weitere kleine Räume. Im fensterlosen mittleren schliefen die beiden Mägde, der andere war vollgestopft mit Zeug, das darauf wartete, gewaschen oder repariert zu werden. Früher hatten dort Adas Brüder geschlafen, nachdem sie zu groß für die elterliche Kammer geworden waren. Ein Bett stand noch zwischen dem Gerümpel, an der Wand, die dem Fenster gegenüberlag.
    Ada hatte seit dem Tod ihrer Mutter bei den Mägden geschlafen, damit sich die Frauen nachts um sie kümmern konnten. Sie war oft aufgewacht und hatte geweint, was ihren Vater belästigte.
    Die Knechte hatten ihre Unterkunft seit jeher im Seitenflügel, nah bei den Tieren und beim Gerät, um den Besitz vor Dieben und anderem Unglück zu schützen.
    Die Räume des Haupthauses lagen größtenteils auf einer Seite der hohen Diele, die man entweder von der Straße her durch die prunkvolle Haustür und einen niedrigen Flur betrat oder vom Hof her durch ein großes Flügeltor, durch das auch sperrige Lasten gebracht werden konnten. Von der Straße aus betrachtet, lagen die Räume links; rechtsseitig führte eine Treppe zur hölzernen Galerie, von der die Türen in die oberen Räume abgingen.
    Unten, mit Fenstern zur Straße, gab es die Dornse, die makellose gute Stube, in der Gotthard Lobeke Gäste empfing und Geschäfte regelte. Daneben lag das Herz des Hauses, die Küche, von wo aus Wärme ins ganze Haus verteilt oder durch ein Fenster zur Durchfahrt hin abgeleitet werden konnte. Neben der Küche befand sich zum Hof hin die Kammer, in der Adas Vater schlief und seine Bücher führte. Wie alle Hoffenster ließen sich auch die seiner Kammer zwar öffnen, hatten aber keine Glasscheiben, sondern eine weit billigere Lederbespannung. Zumindest er war der Ansicht, dass diese bei hellem Tag genug Licht durchließ.
    Ada schloss die Tür ihrer Zuflucht von innen. Eben hatten die Knechte ihr Reisegepäck hereingebracht, darunter auch von der Wenthes Truhe. Nun war Knütter, der Einzige des Gesindes, den sie außer Eilert und der Köchin von früher her kannte, gegangen, um den Bader zu holen.
    Ursula, die um etliches älter war als Ada, arbeitete prompt und schnell. Wasser, Bier und Tücher hatte sie schon gebracht. Nun war sie dabei, mit der Köchin eine kalte Mahlzeit zusammenzustellen.
    Von der Wenthe lag im Bett, über das Ursula und Ada vorsorglich leere Mehlsäcke gebreitet hatten. Er war aufgewacht, als sie ihn hochtrugen, hatte geschrien und wieder angefangen zu bluten. Auf dem Bett war er ohnmächtig geworden, und das hatten die Knechte auf Adas Geheiß genutzt, um ihm Koller, Stiefel und Oberhemd auszuziehen.
    Carton hatte sich auf das Schlaflager am Boden gelegt und war gleich eingeschlafen. Ada hätte es ihm gern nachgemacht, aber so einfach ging es nun eben nicht mehr.
    Ihr Gatte seufzte bei jedem Atemzug und wälzte sich ruhelos. » Damned pebbles «, murmelte er. »Durst.« Ada füllte einen Holzbecher mit Bier, setzte sich auf die Bettkante und berührte seine unverletzte linke Schulter. Am Unterarm hatte er eine große Wunde. Sie musste ihren Ekel davor unterdrücken. »Hier ist Bier.«
    Er sah sie an, die schönen Augen rot unterlaufen. »Braves Weib. Dein Busen ist so schön wie … Habe ich dich bezahlt?« Sein Atem war heiß, schlecht, wie abgegriffenes Kupfer.
    Ada seufzte. Er war zu fiebrig, um zu wissen, was er redete, und sie war zu müde für Entrüstung. Sie legte eine Hand in seinen Nacken und stützte ihn. »Trinkt.«
     
    Knütter und der Bader fanden bei ihrer Ankunft schließlich drei Schlafende vor. Ada hatte ihre Halskrause an einen Kleiderhaken gehängt und sich auf Lenz’ Truhe gesetzt, um nur einen Moment auszuruhen. Dort war sie, gegen die Wandtäfelung gelehnt, eingenickt.
    Der kleine, muskulöse und speckbäuchige Bader band sich eine fleckige, braune Schürze um. Ada fragte sich, ob sie schon immer braun gewesen war, oder ob sie ihre Farbe der unappetitlichen Arbeit ihres Besitzers verdankte.
    Eine Stunde brauchte der Mann, um die Verletzungen der beiden Leidenden zu versorgen. Drastische Maßnahmen wie Ausbrennen oder Ausschneiden blieben ihnen erspart. Ada hatte von solchen Torturen reden hören, denen die Ärzte Verwundete üblicherweise unterzogen. Sie war erstaunt, dass der Bader sich

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