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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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schnellstens loswerden wollen, wenn er wach genug war. Auf ihn warteten bereits in England eine Frau und ein Kind.
    Unten ging die Haustür auf, die Stimme ihres Vaters war zu hören. Ada erschrak, er hätte länger ausbleiben sollen. Sie hoffte, dass die Frauen in der Küche nicht gerade Dierk mit Honigbrot fütterten.
    »Bitte um Verzeihung«, sagte Lorenz von der Wenthe vom Bett aus, die Stimme rau vom langen Nichtgebrauch. »Wo sind wir hier?«
    Ada war zusammengefahren, als er sie ansprach, nun überspielte sie den Schreck mit einem gezwungenen Lächeln. Auf dem Weg zum Bett warf sie das Papierbündel in seine Kiste, verschloss sie und hängte sich den Schlüssel, den sie mit einem Band versehen hatte, um den Hals. Dann nahm sie auf einem Fußschemel neben dem Bett Platz, wo sie mit ihrem Gatten auf Augenhöhe saß. »In Lüneburg. Im Haus meines Vaters.«
    Mit nachdenklich gefurchter Stirn musterte er sie. Ada hielt seinem Blick stand und machte ihre eigenen Beobachtungen. Sein bärtiges, blasses Gesicht sah noch längst nicht gesund aus, aber seine Augen waren beinah klar und so hübsch wie zuvor. Trotz allem, was sie inzwischen über ihn wusste, und trotz der Unannehmlichkeiten, die sie bei der Pflege mit ihm gehabt hatte, schlug ihr Herz schneller. Er gefiel ihr, sie konnte es nicht ändern.
    »Es mag Sie kränken«, sagte er endlich. »Aber ich muss gestehen, dass ich nicht die geringste Suspicion habe, wer Sie ist.«
    Ada erstarrte. Auch das noch. Was für eine Entwicklung: erst Braut, dann Dirne, nun offenbar Dienstmagd. Bei allem Mitgefühl, das ging zu weit. Würdevoll richtete sie sich auf. »Nun, das lässt sich remedieren. Auch wenn Ihr mich nicht mehr kennt, bin ich seit sechs Tagen Eure Gemahlin, und Ihr wart durchaus bei Bewusstsein, bevor und nachdem Ihr die Ehe mit mir geschlossen habt. Traktiert mich daher bitte nicht mit dem ›Sie‹.« Er machte daraufhin ein so betroffenes Gesicht, dass ihr ihre Schroffheit leidtat. Womöglich gefährdete es seine Genesung, wenn sie ihn derart grob behandelte.
    Er räusperte sich. »Gütiger Himmel. Warum … Ich weiß nicht, was passiert ist.«
    Durch seine Verwirrung sanftmütiger gestimmt, klärte Ada ihn über die Umstände ihrer Ehe auf. Nur die Wonnen ihrer Hochzeitsnacht verschwieg sie. Falls er sie verließ, war es ganz gut, wenn er sich nicht an alles erinnerte. So würde es ihr leichter fallen, ihren Stolz zu bewahren.
    »Und nun sind wir in Eurem Vaterhaus«, wiederholte er schließlich.
    Und zurück beim »Ihr«, schloss Ada für sich, was immer das bedeuten mochte.
    »Ist Euer Vater einverstanden mit unserer Eheschließung?«
    Ada schüttelte den Kopf und stand auf, um ihm ungefragt einen Becher Bier und einen Bissen Hackbraten zu holen. »Er sinnt auf Mittel, sie ungeschehen zu machen.«
    »Falls ich meine Geisteskräfte an jenem Tag noch beisammen hatte, wird er keine finden. Was ist mit Euch? Wollt Ihr zu unserem Kontrakt stehen, oder sind Euch Bedenken gewachsen, da ich Euch nicht, wie versprochen, wieder zur Wittib gemacht habe?«
    Ada hielt ihm das Stückchen Hackbraten vor die Nase, aber er verzog angeekelt das Gesicht. Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn Ihr dabei bleibt, bleibe ich auch dabei. Ich brauche diesen Ausweg nach wie vor.«
     
    Allein für die Tatsache, dass die Frau ihn nicht hatte sterben lassen, hätte Lenz ihr sein Vertrauen schenken können, wenn er nicht gewusst hätte, dass Christopher im Spiel gewesen war. Christopher hätte die Frau mit allen Mitteln zu Hilfsmaßnahmen angehalten.
    Bevor er den Freund gesprochen hatte, konnte er also nicht entscheiden, ob sie sein Vertrauen verdiente. Seine Gemahlin – er wollte verdammt sein. Da hatte sein Vater es am Ende doch geschafft, ihn in eine Ehe zu zwingen. Sie war ein hübsches, dralles Weib, aber was sollte er bloß mit ihr anfangen? War sein Vater tot, gehörte ihr nun das Familiengut. Sie konnte es haben, er wollte es nicht. Das hatte sein Vater nicht begriffen, als er sein Testament machte: Lenz hatte nicht die Absicht, je auf dem Gut zu leben, er wollte zurück nach Bristol. Dort hatte er seine Existenz aufgebaut, wo Cartons lebten, die ihn aufgezogen hatten wie ihr eigenes Kind. Im Gegensatz zu seinem Vater, der ihn fortgeschickt hatte. Zu seinem Besten, wie alle sagten.
    Er hätte nicht zurückkehren sollen. Die Abgründe, die zwischen ihm und seinem Vater klafften, waren zu tief.
    Die Frau hielt ihm den Braten vor den Mund, aber er konnte noch immer nicht

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