Herrin wider Willen
Geschäft und die Familie zu binden. Es verstand sich von selbst, dass Lobeke ein Interesse daran hatte, ihn mit seiner Tochter zu verheiraten. So wäre sein Nachfolger ihm verwandtschaftlich verpflichtet gewesen und hätte sich aus der Aufgabe, ihn im Alter zu versorgen, nicht herausreden können. Auch die Tochter wäre damit versorgt gewesen, niemand konnte ihm schieren Eigennutz unterstellen.
Hinzu kam die Hoffnung, dass das Geschäft am Ende doch noch in seiner Linie weitervererbt werden würde, wenn auch nicht namentlich.
Abgesehen von alldem war da allerdings noch Stechinelli, der scheinheilige Teufel. Der wäre zufrieden gewesen, wenn sein Neffe mit dem Lobek’schen Haus verheiratet war, weil auch er damit im Alter abgesichert gewesen wäre. Märtens ließ nichts auf seinen Onkel kommen.
Alles wusste der Junge eben auch nicht.
Bis vor sechzehn Jahren war Lobeke ein ehrlicher Händler gewesen und hätte keine Anschuldigung fürchten müssen. Dann jedoch verursachte der Krieg zunehmend hohe Kosten und verringerte die Einnahmen erheblich. Der Rat der Stadt erhob immer neue Geldforderungen an die Bürger, um seinerseits den Forderungen der vor den Stadttoren abwechselnden Kriegsparteien nachzukommen. Mal Mansfeld, mal Tilly, mal Wallenstein, mal Banér – alle pressten der Stadt Geld und Gut ab. Dazu musste wieder und wieder die Lüneburgische Defensionskasse gefüllt werden, damit der Rat die bewaffnete Verteidigung der Stadt bezahlen konnte.
Lüneburg war bislang besser durch den Krieg gekommen als viele andere Städte, aber von guten Zeiten konnte keine Rede sein. Oft konnten die Waren wegen der lagernden Heere nicht unbeschadet an ihre Bestimmungsorte gebracht werden. Mit dem Salzhandel ging es ohnehin seit Jahrzehnten bergab, und auch wenn Lobeke selbst kein Salzfahrer war, hatte er früher von der Zusammenarbeit mit ihnen profitiert. Oft bezog er seine Ware von den Kunden der Salzhändler.
Das unselige Salz war auch schuld daran gewesen, dass er zum Betrüger geworden war. Jedermann hatte damals dringend Geld gebraucht, und so hatte es ihn anfänglich sogar gefreut, dass er in einen Salzbetrug verwickelt wurde.
Die Salzfahrer hatten so einen Schwindel nicht zum ersten Mal gedeichselt. Oben auf ihre Fuhren luden sie ein paar Fässer reines, edles Salz, darunter lüneburgisch gesiegelte Salzfässer, die mit Sand gefüllt waren. So brachten sie die weithin bekannten Gefäße aus der Stadt. In der Nähe von Hamburg wartete dann das billige, unreine Baiensalz aus Frankreich, mit dem sie das gute Lüneburger Salz streckten und alle Fässer füllten.
Der Gewinn war beachtlich, und wenn es aufflog, schoben die Lüneburger Patrizier, die selbst zum Teil von dem Betrug wussten, alles auf »welsche Schwindler« und Stadträte fremder Städte, die solche Lumpen davonkommen ließen, um Lüneburg zu schaden.
Seit Lobeke in solch trüben Gewässern fischte, war er darauf angewiesen, dass die Mitwisser Stechinelli und Märtens schwiegen.
Was Märtens nicht wusste, war, dass sein Onkel nach dieser Sache weitere zweifelhafte Methoden gefunden hatte, um für das Lobek’sche Geschäft Gewinn zu erwirtschaften. Einige Jahre zuvor hatte eines dieser Geschäfte mit dem Tod des Kreditgebers geendet und dazu geführt, dass mehrere von dessen Schuldnern, darunter Lobeke, regelmäßig Summen an einen unbekannten Erpresser zahlten. Alle zahlten ohne Gegenwehr, denn auch denen, die mit dem Mord nichts zu tun hatten, lag nichts daran, dass alles aufgeklärt und ihr Name dabei in den Schmutz gezogen wurde. Der finanzielle Verlust schien das kleinere Übel zu sein.
Erst in diesem Jahr war die Forderung des Erpressers zum ersten Mal ausgeblieben.
Lobeke war überzeugt davon, dass kein Lüneburger Fernhändler seinen Gewinn seit Anfang des Krieges nur auf ehrliche Weise gemacht hatte, daher drückte ihn sein Gewissen nicht über die Maßen. Ärgerlich war vielmehr, dass ihm die Gaunereien nicht geholfen hatten. Seinem Geschäft drohte längst wieder der Untergang.
Auch dafür wäre seine Tochter beizeiten die Lösung gewesen. Sie ahnte nichts davon, aber in zwei Jahren, an ihrem vierundzwanzigsten Geburtstag, sollte sie das Erbe ihrer Tante ausgezahlt bekommen. Auch Lobeke selbst hatte davon erst vor einigen Monaten erfahren. Die Schwester seiner Frau hatte ihn gehasst und ihm misstraut.
Wären Konrade und Märtens bis dahin verheiratet, würden die väterlichen Finanzen an der Erbschaft gesunden. Man konnte es drehen und
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