Herrin wider Willen
hüftschwingend den Stall verließ.
Für Ada hatte Lenz anschließend kein Lächeln übriggehabt, nur ein gelangweiltes Nicken, das von ihr kühl erwidert worden war. »Vor dem Abendessen sprechen wir in meinem Zimmer mit Wilhelm Vogt. Sei darauf vorbereitet«, hatte er gesagt und war mit Jakob in Richtung Pferdestall weitergegangen, ohne ihre Antwort abzuwarten.
Luise hatte eine Art, nichts zu sagen und keine Miene zu verziehen, die verächtlicher nicht sein konnte. Ihre Gesellschaft hatte Adas Laune nach diesem Zusammentreffen nicht verbessert.
Gereizt und traurig betrat sie vor dem Abendessen Lenz’ leeres Zimmer, um dort auf ihn und Wilhelm Vogt zu warten.
Die schmale Bettstatt in der Ecke war unter einem roten, türkisch gemusterten Überwurf versteckt, auf dem Tisch lagen die kleine Ledertasche mit seinen persönlichen Dingen und das Buch, welches er schon in Lüneburg gelesen hatte. Ein kleiner Bogen Papier steckte als Lesezeichen darin. Die darauf addierten Zahlen interessierten Ada mehr als das Buch, als sie es in die Hand nahm. Dennoch blieb ihr Blick an den Worten hängen, nachdem sie es an der markierten Stelle aufgeschlagen hatte:
Nach diesen Worten begann er sie zu umarmen und zu küssen und zog sie schließlich auf die Truhe nieder, in der ihr Mann eingeschlossen war. Hier ergötzte er sich mit ihr, solange es ihm gefiel, und sie sich mit ihm.
Ada klappte das Buch zu und ließ es auf den Tisch fallen, als hätte sie sich daran verbrannt. Tatsächlich war ihr von den Worten heiß geworden; sie hatte nicht gewusst, dass solche Dinge aufgeschrieben werden durften. So etwas las ihr Gatte also, anscheinend mit Vergnügen und lieber, als zu ihr zu kommen und jener Lust zu frönen. Sie sah zu seinem Bett, zu der roten Decke, und wandte sich mit einem Ruck ab. Es machte sie wütend auf sich selbst, dass sie so dumm war, ihn zu begehren.
Er betrat den Raum mit Wilhelm Vogt zusammen. Vogt begrüßte sie mit der angemessenen Ehrerbietung, den Hut in der Hand und einen Kratzfuß andeutend.
»Stell Er sich meiner Gemahlin vor«, sagte Lenz und setzte sich auf den Schreibstuhl, ohne dem Mann einen Platz anzubieten, wodurch Ada sich veranlasst fühlte, ebenfalls stehenzubleiben.
Der ehemalige Verwalter war einfach und ordentlich gekleidet: gedeckte Farben, keine Flicken, und das lange Haar streng nach hinten frisiert zu einem Nackenknoten. Die Frisur betonte die Form seines Gesichts, das vorn spitz zulief. Hässlich war er nicht, trotzdem fand Ada ihn unangenehm.
Der Mann schilderte nüchtern seinen Lebenslauf, berichtete von seiner Zeit als Verwalter auf Wenthe und bot sich erneut für den Posten an.
Ada nickte höflich. »Ich werde es mir überlegen. Hat Er einige Tage Zeit zu bleiben?« Vogt stimmte zu, und sie entließ ihn.
Während der Unterredung hatte Lenz sich nicht geäußert. Sobald Vogt gegangen war, stand er auf und zog mit ungeduldigen Handgriffen eine blaue Jacke aus, die seinem Vater gehört haben musste. »Was gibt es da zu überlegen? Natürlich stellst du ihn ein. Er kennt jedes Huhn hier und hat die Bücher allem Anschein nach sauber geführt. Du findest so schnell niemand anderen, der das für dich tut.«
Ada verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich kann es selbst tun.«
Lenz warf ihr einen spöttischen Blick zu und schnaubte herablassend. »Ja, doch, sicher. Könntest du nur ordentlich lesen, dann würde es dir leicht von der Hand gehen, nicht wahr? Rechnungsbücher führen, in der Tat! Lies mir doch einmal diese Einträge vor.« Er zog ein Rechnungsbuch aus einem der Schrankfächer und schlug es wahllos auf.
Ada fühlte ihre Wut überkochen. »Ach nein, das langweilt mich.« Sie schnappte das Decameron vom Tisch. »Komm, ich lese dir hieraus vor. Etwas Erbauliches, ja?« Beim Lesezeichen schlug sie es auf.
Lenz wurde rot und nahm ihr eilig das Buch aus der Hand. »Das ist keine geeignete Lektüre für dich.«
»Warum nicht?« Er stand nun so dicht vor ihr, dass sie seine Wärme spüren konnte. Sehnsucht gesellte sich zu ihrer Wut. »Könnte ich noch mehr über deine niedrigen Vorlieben darin entdecken, als ich so schon gesehen habe?«
Lenz schreckte so hastig zurück, wie er näher gekommen war. Seine Augen verrieten, wie auch in ihm die Wut aufstieg. »Meine Vorlieben gehen dich zweifellos nichts an. Du aber könntest die Phantastereien in dem Buch für bare Münze nehmen und zu Dummheiten verleitet werden, die deinem Leib, deiner Seele und meinem Namen Schaden zufügen.
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