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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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spüren.
    Selbst als er ungerührt mit dem Advokaten das Geschäftliche besprochen hatte, hatte sie ihn bewundert. Er musste ein ausgezeichneter Kaufmann sein, er dachte klar, fand deutliche Worte und bestimmte das Gespräch.
    Mit Eckermann zur Seite hatte er ihr die Bücher des Gutes erklärt: was sie brauchen würde, woher es kommen konnte. Sie hätte sich das alles auch allein erklären können, aber da sie viel langsamer las und ihn gern reden hörte, ließ sie ihn. Sie sah zu, wie seine geraden, schlanken Finger mit den breiten Nägeln über die Zeilen fuhren, und erinnerte sich, wie sie ihm während seiner Genesung die Nägel geschnitten hatte.
    Nach einer Weile waren ihnen Christopher und Cornelia mit Grete und Aegidia ins Kabinett gefolgt, doch da war alles Wichtige bereits geregelt gewesen. Graf Ludwig hatte Aegidia nicht als sein Kind anerkannt und seine ungeklärte Beziehung zu Cornelia nach einer Reihe von Auseinandersetzungen endgültig beendet, so sagte der Advokat. Es hatte nur einen strengen Blick von Eckermann gebraucht, und Cornelia hatte ihre Forderungen für sich behalten. Stattdessen richtete sie ein herzerwärmendes Bittgesuch an ihn, als hätte er etwas zu entscheiden.
    Ada hatte kaum hingehört. Sie beobachtete aus dem Augenwinkel, wie ungeniert aufdringlich Grete vor dem Feuer mit Christopher scherzte, der Aegidia ein hölzernes Nashorn vom Kaminsims gereicht hatte, ein fremdartiges, märchenhaftes Tier. Er war freundlich zu Grete, aber auf eine Art, die keinen Zweifel an seinem Abstand zu ihr ließ. Zurückhaltender, als er Ada gegenüber je gewesen war.
    Sie hatte sich allerdings auch nie so schamlos bei ihm angebiedert.
    Mit einem Seufzen schob Ada das Federbett von sich. Dies war ein neuer Tag, es half nichts, er wollte bewältigt werden.
    Wahrscheinlich würde sie besser dran sein, wenn die Männer fort waren. Dann würde alles ruhiger sein.
     
    Am Nachmittag kamen die Flügges und die Schwarkes früher vom Feld als gewöhnlich. Ein wandernder Scherenschleifer hatte sie vor Horden von durchziehenden Söldnern gewarnt, deren Herrn er nicht zu nennen wusste. Die Bauern hatten gelernt, jede Warnung ernst zu nehmen, und ihre Arbeit abgebrochen, um sich hinter die schützende Mauer zu flüchten. Nur der älteste Flügge’sche Sohn war draußen geblieben, um sich umzusehen.
    Die Nachricht, die er brachte, als er bei Einbruch der Dunkelheit nachkam, erschütterte alle. Die Streuner waren italienische und flämische Söldner in Kaiserlichen Diensten, und sie hatten Pastor Hasenbein auf seinem Heimweg gefangen genommen, grausig zugerichtet und liegen gelassen. Ein Schäfer hatte ihn noch lebend gefunden, aber nichts mehr für ihn tun können.
    Bei aller Betroffenheit nahmen die Leute vom Gut dieses Ereignis auf, als handelte es sich um einen gewöhnlichen Unfall. Entrüstung wurde zwar geäußert, doch mit dem gleichen Schulterzucken, mit dem man den Einsturz einer baufälligen Brücke bedacht hätte.
    Was Lenz empfand, war nicht zu deuten. Ada konnte nicht umhin, ihm ein schlechtes Gewissen zu wünschen. Das passte zu der unterschwelligen Wut, die sie ohnehin auf ihn hatte.
    Hätte er den Pastor nicht vergrault, dann wäre der Mann einige Stunden später mit den Sargträgern und dem Advokaten zusammen gereist und wahrscheinlich davongekommen. Zumindest hatte sie von denen nichts Gegenteiliges gehört.
    Ada hatte am Morgen ihr Zimmer mit dem Vorsatz verlassen, Lenz nicht nachzulaufen, sondern sich nur mit den Angelegenheiten ihres Anwesens zu beschäftigen. Noch am Vormittag hatte sie sich von der wortkargen, abweisenden Luise die beiden Milchkammern zeigen lassen. Eine davon wurde wegen der kargen Umstände nicht benutzt. Die Hälfte der verbliebenen Kühe war um diese Zeit im Jahr tragend oder gab aus anderen Gründen keine Milch mehr. Dennoch ließ Ada sich beschreiben, welche Käsearten üblicherweise hergestellt wurden.
    Lenz hatte offenbar ähnliche Pläne, denn er stand mit Jakob, Grete und der kleinen Aegidia vor der Milchkammertür, als sie in den Stallflügel kamen. Grete drückte ihre Brust heraus und wiegte sich vor ihm ebenso schamlos hin und her wie am Vortag vor Christopher. Und Lenz war keineswegs abgestoßen, das sah man ihm deutlich an. Er schenkte Grete sein seltenes Lächeln.
    Ada hätte die schöne Magd gern in der Luft zerfetzt. Die Metze schreckte nicht einmal zurück, als sie Ada bemerkte, sondern verabschiedete sich mit einem frechen Zwinkern von Lenz, bevor sie

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