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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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für die Frau verbot. Christopher schonen.
    Sein Begehren ließ sich jedoch nicht unterdrücken, und er musste überlegen, ob er Christopher wirklich einen Gefallen tat. Schon aus reiner Ritterlichkeit, wie Ada es nannte, würde Christopher ihr gegenüber eine Rolle spielen, die eigentlich er als Gatte übernehmen sollte. Es war, als triebe er den Freund geradezu in eine verhängnisvolle Beziehung mit ihr hinein. Wie sollte Christopher am Ende noch wissen, ob er Ada wirklich verehrte oder ob sein Gefühl nur aus Mitleid und Fürsorge entstand?
    Lenz schob das Weinglas weg, stand auf und sah aus dem Fenster auf den mondhellen Hof. Eine von den Bauersfrauen suchte ihren Weg durch das ausgebreitete Gras, wollte offenbar der Turmwache einen Umhang bringen.
    Ada hatte nicht nur die Hühner gefüttert, sondern auch die Ferkel. Sie hatte Würde, aber keinen Dünkel, tat ohne Zögern, was getan werden musste, war nicht dumm. Sie konnte es auf dem Gut schaffen, wenn sie einen fähigen Mann zur Seite hatte.
    Warum war sie nur auf einmal so bockig?
    Sie war schön, wenn sie bockig war.
    Herrgott, sie war immer schön, auch wenn sie sich verhüllte und verschnürte wie Reisegepäck.
    Er hatte sie gehabt. Wie hatte er so blöd sein können, nicht daran anzuknüpfen?
    Es war an der Zeit, ehrlich zu sein. Er wollte sie. Ein Mann mit Rückgrat würde gehen, sich ihr erklären und offene Worte von ihr verlangen. Auch über ihre Gefühle für andere.
    Wenn sie ihm dann deutlich sagte, dass sie ihn nicht wollte und ob sie Christopher zugeneigt war, hätte er Gewissheit und könnte mit kühlem Kopf den nächsten Entschluss fassen.
    Er würde zu ihr gehen.
    Froh über die Entscheidung, zog er die Vorhänge zu.
    Was aber, wenn sie schon schlief? Er konnte nicht bei ihr klopfen und sie für ein solches Gespräch aus dem Schlaf reißen.
    In der vorigen Nacht war sie lange auf gewesen. Er hatte sie durch den Türspalt gesehen, wie sie sich im Dunkeln Richtung Küche getastet hatte. Vielleicht hatte sie vor Hunger nicht schlafen können.
    Sie teilte nicht mit Christopher das Bett, da war er nun sicher. Er hatte die beiden scharf beobachtet, wann immer sie zusammentrafen. Zwischen ihnen war keine solche Einigkeit wahrzunehmen. Christophers Verhalten hatte etwas sehnsüchtig Unerfülltes. Dazu kam der entrüstete Ton, in dem er Ada anständig genannt hatte. Auch der herzensweiche, nachsichtige Christopher würde eine Frau nicht »anständig« nennen, die Unzucht mit ihm trieb.
    Lenz musste sich nur vorstellen, dass sie mit einem anderen Mann im Bett lag, um fast wieder zu vergessen, dass er sie nicht aus dem Schlaf reißen wollte.
    Er würde aufbleiben und warten. Vielleicht kam sie auch in dieser Nacht wieder herunter, dann konnte er sie ansprechen und zu sich hereinbitten. Er würde sich ins Zeug legen, würde höflich sein, freundlich, unterhaltsam. Ehrlich. Verliebt.
    Was tat er bis dahin? Er sah sich im Zimmer um, sein Blick fiel auf die Bücher, das »Decameron«. Bloß das nicht; er seufzte.
    Dieser Zustand war ihm bekannt, nun, da er es sich eingestand. Er war schon einmal so verliebt gewesen, dass nichts ihn ablenken konnte, dass sein Wille sich nur darauf richtete, so nah wie möglich bei der begehrten Frau zu sein. Damals war es einfacher gewesen, denn Charlotte hatte ihn von Anfang an auch gewollt, und der Anstand war kein Hindernis gewesen.
    Charlotte Price war ihm in London als Mätresse eines älteren Adligen begegnet, den sie rasch gegen ihn eingetauscht hatte. Inzwischen wusste Lenz, dass sie sich nicht aus Liebe für ihn entschieden hatte. Sie hatte sich lediglich erhofft, dass er sie in seiner Verliebtheit trotz des Standesunterschieds heiraten und damit langfristig absichern würde. Als sie ihm mitteilte, dass sie sein Kind erwartete, war er nah daran gewesen, es zu tun.
    Es wäre eine Hölle von einer Ehe geworden. Er war froh, dass Henry Carton hinter ihm gestanden hatte, als er sich trotz des Kindes dagegen entschieden hatte. Für die beiden dennoch aufkommen zu müssen, war der Preis für seine jugendliche Kopflosigkeit, dagegen hätte er sich nie gewehrt. Außerdem mochte er das Kind – seine Tochter Elisabeth, Betty.
    Betty wurde ihrer Mutter ähnlich, was Klugheit, Witz und Schönheit anging, aber deren verletzende Bissigkeit fehlte ihr. Er hoffte, dass er sie davor bewahren konnte, wenn er sie vor der Not schützte, durch die ihre Mutter sich hatte kämpfen müssen.
    Die bissigen Frauen schienen sein Kreuz zu sein.

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