Herrin wider Willen
Er fragte sich noch immer, womit er sich so plötzlich Adas heftige Abneigung zugezogen hatte.
Mit einem ratlosen Kopfschütteln setzte er sich zu seiner Kerze an den Schreibplatz und fing an, was längst überfällig war. Er schrieb einen Brief an Henry Carton und berichtete beinah aufrichtig von allen Verwicklungen seit dem Tag, als er mit Christopher zum ersten Mal in Wenthe angekommen war.
Er war noch nicht dort, wo er erwähnen musste, welche besonderen Schwierigkeiten das Dreieck Christopher-Ada-Lenz barg, als ihn ein Frauenschrei und ein Poltern in der Eingangshalle vom Stuhl hochfahren ließen. Er griff zu seiner Pistole und rannte zur Treppe.
Obwohl er nie schreckhaft gewesen war, spürte er sein Herz heftig schlagen. Eine Frau lag verrenkt auf den unteren Stufen der Treppe, mit den Füßen nach oben, das Nachthemd war bis zu den Knien hochgerutscht. Ihr Gesicht war vom Umhang verdeckt, und dieser Umhang fing gerade an zu brennen.
Er sprang zu der reglosen Gestalt, riss ihr das brennende Zeug ab, ohne dabei viel Rücksicht nehmen zu können. »Feuer!«, rief er dabei, weil er wusste, dass das alle am schnellsten auf die Beine bringen würde. »Feuer! « Dabei hatte er die kleinen Flammen im Nu selbst ausgeschlagen.
Dennoch brauchte er Hilfe und war erleichtert, dass sich oben Türen öffneten. Seine Hände zitterten, als er die Frau prüfend berührte und sich vergewisserte, dass es nicht Ada war.
Es war Cornelia von Questenberg, und sie war zu Tode gestürzt, daran gab es keinen Zweifel.
Zu seinem Erstaunen war es Luise, die mit einer Lampe in der Hand zuerst die Treppe herabkam. Dabei schien sie es nicht eilig zu haben. »Feuer?«, fragte sie ihn in tadelndem Ton, wie sie es zu einem Kind gesagt hätte, das falschen Alarm gegeben hat.
»Es ist gelöscht.« Er sah nach oben, wo nun Grete aufgetaucht war. Sie hatte keine Kerze, stand aber neben der Nachtlampe; ihre Augen wurden vom Flackern der Flamme geisterhaft verzerrt.
»Ist sie tot?« Luises Frage klang gleichgültig. Lenz warf ihr einen angewiderten Blick zu, dann sah er wieder nach oben.
Endlich erschien Christopher. »Was ist passiert?« Dann sah sein Freund die Frau. »Oh mein Gott.« Er kam die Treppe heruntergelaufen.
»Sie ist tot«, brachte Lenz nun heraus, konnte den Blick aber nicht vom oberen Treppenende abwenden.
Luise beugte sich inzwischen über die Gestürzte. »Ja.«
Nur ein Narr hätte nicht die Zufriedenheit in diesem »Ja« gehört. »Warum warst du so schnell da?«, fragte Lenz sie und zwang sich, seine Abscheu gegen sie nicht zu deutlich zu zeigen.
Luise stieß verächtlich die Luft aus. »Glaubt Ihr, ich pudere mir erst die Nase, wenn einer ›Feuer‹ ruft?«
Lenz ging an Christopher vorbei die Treppe hinauf, wo nun eine verschlafene Ada neben Grete stand. »Was ist los?«, fragte sie.
»Cornelia von Questenberg ist tot.« Lenz blieb einige Stufen unterhalb der beiden schönen Frauen stehen.
»Geh zu dem Kind, du kopfloses Huhn«, wandte sich Luise von unten an Grete.
Grete trat mit funkelnden Augen einen Schritt zur Seite. »Schick du mich nicht herum, Bankert.«
»Pass auf, dass ich nicht noch mehr Namen für dich finde«, kam es von Luise schneidend zurück. »Wie die Herrin, so die Magd.«
»Biest«, zischte Grete.
Ada rieb sich schlaftrunken mit den Handballen die Augen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, sie so zu sehen, dachte Lenz, fühlte dabei aber Wärme. Sie war süß im Nachthemd, müde, mit aufgelöstem Haar. Er wollte sie in den Arm nehmen, fühlen, dass sie lebte, und sich einbilden, sie beschützen zu können. Alle Dämme waren in ihm gebrochen.
»Schick du sie, Lenz«, sagte sie. »Auf dich wird sie ja wohl hören. Das Kind sollte das hier nicht sehen.«
»Ich geh schon«, sagte Grete. »Ich geh nur nicht, wenn die mich schickt.« Sie zeigte voll Hass auf Luise, aber die widmete sich mit Christopher bereits der Aufgabe, Cornelias Leichnam von der Treppe aufzuheben.
Grete ging in Cornelias Gemächer zu Aegidia, und Lenz stand nur noch Ada gegenüber, die verstört zusah, wie Christopher und Luise die Tote wegtrugen.
Auch Lenz hatte der furchtbare Unfall erschüttert. Doch bei allem Mitgefühl und aller Betroffenheit konnte er nicht leugnen, wie erleichtert er war. »Als ich aus meinem Zimmer kam, dachte ich, dass du es wärst, die da liegt.«
Sie sah ihn fassungslos an, dann faltete sie die Arme unter ihrem Busen. »Und? Bist du enttäuscht?«
Er zuckte innerlich zusammen. »Warum sagst
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