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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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du das? Ich meine, ich weiß, dass ich in letzter Zeit nicht …«
    »Du bist mir nichts schuldig. Und ich dir nicht.«
    »Falsch. Du schuldest mir eine Erklärung dafür, warum du mir grollst. Ein paar Antworten. Und ich schulde dir eine Bitte um Verzeihung. Aber nicht jetzt. Nicht hier auf dieser Treppe. Schenk mir eine Stunde unter vier Augen. Morgen.«
     
    Schreck und Mitleid mit der kleinen Aegidia mischten sich in Ada mit der Wut auf Lenz, der in so einem Moment das Gespräch mit ihr suchte, welches sie sich so lange vergebens gewünscht hatte. »Wenn du meinst.« Sie sagte es abfällig, konnte nur daran denken, was er mit Grete in der Milchkammer getan hatte.
    Aber schon wieder brachte er es fertig, sie mit seiner verletzten Miene zu entwaffnen. »Was habe ich dir bloß getan?«, fragte er leise.
    »Nichts.« Ihre Stimme brach, und sie fühlte die Tränen kommen.
    »Ist etwas passiert?«, fragte da eine Männerstimme und riss sie aus ihrer Verlegenheit. Es war Wilhelm Vogt, der mit Jakob vom Gesindeflügel kam. Beide hatten dort ihre Kammern, so wie Luise, Erna und Ottman, der draußen an der Mauer Wache stand.
    Ada überließ die Erklärung Lenz. Sie konnte nicht im Nachthemd vor all diesen Männern stehenbleiben. Auf keinen Fall vor Vogt. Sie war inzwischen darauf gekommen, dass sie ihn auch deshalb nicht mochte, weil er eine ähnlich eintönige Stimme hatte wie der ihr verhasste Matthias Märtens. Keine Melodie, kein bisschen Gefühl.
    Eilig ging sie in ihre Kammer zurück und zog sich an. Für sie war an Schlaf nicht mehr zu denken, auch wenn sie sich strikt weigerte zu glauben, dass Cornelias Tod etwas anderes gewesen war als ein Unfall. Wer hätte auch etwas davon gehabt, die machtlose Frau umzubringen?
    Andererseits hatte Luise sich angesichts des Unglücks merkwürdig verhalten. Es mochte ihre Art sein, dass sie den Tod von jemandem begrüßte, den sie verachtet hatte. Ada bemitleidete sie dafür, wie sie jeden bemitleidete, dem das Leben die besseren Gefühle ausgetrieben hatte. Als Kind hatte sie ihrem Vater in schmerzhafter Ohnmacht gelegentlich den Tod gewünscht, doch sie war herausgewachsen aus solcher Dummheit. Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Hass verfinsterte nur das Leben.
    Es war gut, dass dieser Unfall sie daran erinnerte.
     
    Sie hatten auch Cornelia im Kleinen Saal aufgebahrt. Die Baiersche Erna hatte sie hergerichtet und ihr den gleichen Blütenzweig in die Hände gelegt wie achtzehn Tage zuvor Graf Ludwig: Weißdorn, vom letzten blühenden Busch. Mittlerweile wusste Ada, dass auf dem Anwesen sonst kaum eine geeignete Pflanze blühte. Man konnte ja einen Toten nicht mit Klatschmohn oder Holunder ausstatten, da würde der Geistliche sofort Aberglauben wittern.
    Bei Cornelia wirkten die Blüten harmonischer als bei Ludwig, sie ergaben mit dem weißen Gesicht und den hellen Haaren ein Bild von Stille und Reinheit. Vielleicht lag es aber auch daran, dass Ada sich an den Brauch erst hatte gewöhnen müssen. Blumen an Toten hatte sie in den Städten bisher nicht gesehen.
    Da es keine Aussicht gab, einen Geistlichen für die Bestattung herbeizuschaffen, beerdigten sie Cornelia noch am Tag nach ihrem Sturz. Eine Festtafel gab es diesmal nicht, die Vorräte waren zu kostbar. Nur eine arbeitsfreie Stunde schenkte Ada den Leuten, damit die Würde des Todes nicht ganz im Alltag unterging.
    Sie nutzte die Stunde, um sich Aegidia zu widmen, schließlich sah es danach aus, dass sie das Kind aufziehen würde. Aegidia jedoch wollte nichts mit ihr zu tun haben, sondern klammerte sich unglücklich an Grete, die darauf mit Genugtuung reagierte. In keiner Weise half sie dabei, zwischen Ada und dem Kind zu vermitteln. Es kam Ada eher so vor, als würde die Magd eifersüchtig noch das ihre tun, eine Annäherung zu verhindern. Sie überlegte kurz, ob sie sie wegschicken sollte, tat es aber Aegidia zuliebe nicht und entließ sie stattdessen gemeinsam aus ihrem Gemach. Für den Augenblick hielt sie es für das Beste, die Kleine nah bei der Frau zu lassen, der sie am meisten vertraute. Dass es ausgerechnet die Frau war, der Ada am wenigsten vertraute, war bedauerlich, aber nicht Schuld des Kindes.
    Den Gedanken an das Gespräch mit Lenz hatte sie bis dahin von sich geschoben, nun wollte sie nicht länger ausweichen.
    Christopher war mit ihm im Kabinett, als Ada hereinkam, und begrüßte sie wie stets mit seinem warmen Lächeln, während Lenz nur nickte. »Du wolltest mich

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