Herrlich und in Freuden
doch seine Ranis waren beide gestorben, und da ihn jede mit etlichen Nachfolgern beschenkt hatte, brauchte er sich nicht wieder zu verheiraten.
»Wo haben Sie nur die ganze Zeit über gesteckt, Mrs. Winstanley?« fragte er, und es gelang ihm, den Eindruck zu erwecken, als habe er sie gesucht und vermißt.
»Oh, in Kalkutta und Jumbulpore und Tallulaghabad und - ja, in Canterbury!« erwiderte sie mit einem Lächeln, als sei ihr erst jetzt klar geworden, wie verrückt es gewesen war, sich an solchen Orten aufzuhalten.
»So, so, Canterbury? Da haben wir es in der Cricketwoche stets sehr lustig gehabt!« sagte der Hausherr, und dann wandte er sich an Lady Pinfield, die als letzte der Geladenen erschien.
Der Maharadscha nannte Lady Pinfield insgeheim nur den »Grenadier«. Der Spitzname schien gerechtfertigt: entschlossen schritt sie auf nicht etwa kleinen Füßen einher; der hohe Haaraufbau hatte sich in fünfundzwanzig Jahren von hellem Braun zu Grau gewandelt, während die Frisur genauso wie zur Zeit der Thronbesteigung Eduards des Siebenten geblieben war; hinzu kamen ihre große Adlernase und die mächtigen Vorderzähne, die den französischen Karikaturisten für eine Engländerin unentbehrlich erscheinen. Als Sir Lawrence starb, blieb seine Witwe in Pippla wohnen, wo sie all ihre Ferien gemeinsam verlebt hatten und wo es keine der andern Engländerinnen wagen würde, ihre Vorrangstellung anzutasten.
»Guten Abend, Maharadscha Sahib! Was für ein schöner klarer Abend! Aber die Luft schmeckt ein wenig nach Frost«, stieß sie mit ihrer rauhen Stimme hervor, die über das gesellschaftliche Schicksal so mancher Engländerin Pipplas entschieden hatte. »Guten Abend, Mrs. Winstanley! Wollen Sie Ihre Zelte in Pippla aufschlagen?«
»O nein«, antwortete Angela. »Ich bin nur zu einem kurzen Besuch hier. Im Frühling gehe ich wieder nach England.«
»So? Und wohin dort?« - »Nach Canterbury.«
»Ach, wirklich, nach Canterbury? Kennen Sie den Erzbischof?«
»Nicht den neuen Erzbischof«, erwiderte Angela, so daß Lady Pinfield ganz nach Belieben glauben konnte, Angela habe seinen Vorgänger gekannt.
»Und das ist Ben Nevis«, verkündete der Hausherr, der offenbar das größte Vergnügen darin fand, den Grenadier vorübergehend aus der Fassung zu bringen.
»Ich habe den Namen nicht recht verstanden!«
»Ben Nevis«, wiederholte Seine Hoheit.
»Guten Abend, Mr. Nevis«, sagte der Grenadier.
»Nein, nicht doch, Lady Pinfield! Er heißt nicht Benjamin Nevis! Er ist Ben Nevis, ein großer Häuptling eines schottischen Clans, Donald MacDonald von Ben Nevis!« erklärte der Maharadscha nun.
»Guten Abend, Lady Pinfield!« wurde sie strahlend von Ben Nevis begrüßt.
In seiner Tracht war der Häuptling eine imposante Gestalt, und Lady Pinfield begriff, daß sie diesmal mit dem Behaupten ihrer, wie sie glaubte, unumstößlich gesicherten Vorrangstellung etwas weniger Erfolg gehabt hatte.
»Ich kenne Schottland eigentlich überhaupt nicht«, sagte sie etwas lahm.
»Und das ist Kilwhillie«, fuhr Seine Hoheit fort.
»Auch ein Hochland-Häuptling?« fragte sie mit einer gewissen schelmischen Herablassung.
»Ja, es ist die reinste Clan-Versammlung: Hugh Cameron von Kilwhillie lautet sein voller Name.«
»Und denken Sie nur, wie schrecklich, Lady Pinfield: ich habe Mr. Camerons Namen in einem meiner Bücher benutzt!« rief Maud Nutting.
»In welchem Buch war das, Maud?«
»Zähne und Klauen.«
»Oh, du weißt ja, das habe ich nicht gelesen!« So gern sie Maud Nutting hatte, weigerte sie sich doch, Bücher von ihr zu lesen, die als zu frei galten. Der literarische Geschmack war in Pippla noch im vorigen Jahrhundert steckengeblieben.
»Ich habe angefangen, es zu lesen«, verkündete Ben Nevis. »Aber ich bin ein ziemlich langsamer Leser, da ich mich nie erinnern kann, wie weit ich in einem Buch gekommen bin, und daher nehme ich an, daß ich viele Seiten doppelt, wenn nicht gar dreifach gelesen habe.«
Zwei Khitmatgars öffneten die Türe zum Speisesaal, um zu zeigen, daß angerichtet war.
»Nosy, würden Sie bitte am anderen Ende der Tafel Platz nehmen?« bat Seine Hoheit. Lady Pinfield sah einen Augenblick etwas verwundert drein, fand aber sofort zu schöner Ausgeglichenheit zurück, als Seine Hoheit sie bat, neben ihm, zu seiner Rechten, zu sitzen. »Und Mrs. Winstanley, wollen Sie bitte links von mir sitzen? Tussore, du führst bitte Mrs. Winstanley! Dann Miss Nutting neben Seiner Hoheit? Miss Lambert, bitte
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