Herrlich und in Freuden
an jenem Weihnachtsabend sechzig geladene Gäste nach zahllosen Champagner-Cocktails im großen Speisesaal aus weißem Marmor an die Tafel setzten, um mit Seiner Hoheit, dem Maharadscha von Tussore, von goldenen Tellern zu speisen. Der Hausherr saß am Kopfende des reich geschnitzten Teakholz-Tisches: er trug eine Jacke aus schwarzem Goldbrokat mit Knöpfen aus gelbem Saphir. Am andern Ende der Tafel saß der Maharadscha von Bangabakka in einer Jacke aus nachtblauer Moiréseide mit rautenförmigen Knöpfen aus Lapislazuli. Die Rangordnung war innegehalten worden, und deshalb saßen die beiden Fürsten zwischen den Gattinnen oder Witwen höherer Beamter. Die scharlachroten Dinnerjacken mit den grünen Aufschlägen der Clanranald-Hochländer und die leuchtend karariengelbe Uniform Hauptmann Ripwoods wurden in ihrer Farbenpracht durch die Schottenjacke des Häuptlings und die pflaumenblaue Samtjacke Kilwhillies noch besonders hervorgehoben. - Der Häuptling saß neben Lady Pinfield, die den Platz links vom Hausherrn innehatte.
»Wir waren Ihnen so dankbar für die wirklich eindrucksvolle Art, mit der Sie sich gestern Ihrer anstrengenden Aufgabe entledigten«, sagte sie. »Haben Sie noch feststellen können, was den jähen Schmerz verursacht hat?«
»Mein Diener sagt, es sei eine Stecknadel gewesen.«
»Eine Stecknadel?« rief sie entsetzt.
»Ja«, lachte Ben Nevis gemütlich, »anscheinend hat er sie in dem roten Dings gefunden, mit dem ich mich verkleiden mußte.«
»Wie nachlässig von Maud Nuttings Schneider, eine Nadel im Kostüm zu lassen! Äußerst nachlässig!«
»Ja, aber ich kann nicht begreifen, wieso die Nadel so tief ins Fleisch drang, denn ich habe mich ja nicht hingesetzt, sondern vornübergebeugt. Mrs. Kibbler meint, es könne nur mit Yoga Zusammenhängen, aber das glaubt sie so ziemlich von all und jedem.«
»Ich glaube nicht, daß ein so heftiger Schmerz irgendwie mit Yoga zusammenhängt. Vermutlich war es eine Ameise. Manche Ameisen Indiens können sehr wild zukneifen. Ist. das nicht Mr. Tucker uns gegenüber?« fragte Lady Pinfield und hob ihre Lorgnette. »Wer ist die ziemlich nett aussehende Frau neben ihm?«
»Das ist Mrs. Winstanley, die Sie in Rosemount kennenlernten!«
»Ah, ich erinnere mich. Und neben Ihrem Sohn sitzt die ganz reizende und sehr hübsche junge Penelope Machell. Sie und ihre Schwester sind meine liebsten jungen Freundinnen, und der General und seine Frau sind ein entzückendes Paar. Wie schade, daß sie nach Delhi mußten!«
»Was für ein großartiger Truthahn, nicht wahr?« fragte Ben Nevis genießerisch. »Noch nie habe ich so guten gegessen.«
»Der Hausherr ist auch besonders stolz auf seine Truthähne. Sie gedeihen hier in Tussore auffallend gut. Hoffentlich hegen Sie keinen Groll gegen den Maharadscha?«
»Aber warum denn?«
»Ach, die Leute schwatzen eben. Ich habe seit Jahren in Pippla gegen den Klatsch gekämpft, doch es hat nichts genützt. Es heißt eben, daß er Frauen gegenüber nicht zuverlässig ist.« Sie hatte ihre Stimme fast bis zum Flüstern gesenkt. »Aber mir gegenüber hat er sich stets wie ein einwandfreier Gentleman benommen.« Sie wandte sich nach rechts. »Ich erzähle gerade unserm Freund, was für großartige Truthähne sie haben, Maharadscha Sahib.«
. »Noch nie habe ich einen Weihnachtsabend so genossen!« sagte Ben Nevis.
Der Hausherr hob seinen Sektkelch.
»Ich trinke auf Ihr Wohl!«
»Slahnjervaw!« rief Ben Nevis laut. »In unsrer Sprache bedeutet es »Beste Gesundheit!« Sie müssen nach Schottland kommen, Maharadscha! Wirklich! Mehrere meiner Freunde haben nette Jagdhäuser, die sie jedes Jahr für die Jagd zur Verfügung stellen. Und ich selbst würde mich gern in Glenbogle für Ihre Gastfreundschaft revanchieren. Sie können sich bei mir immer auf keeut nealy fahltcher verlassen.«
»Das habe ich leider nicht ganz verstanden!« sagte der Hausherr.
»Ach, manchmal gerate ich in unser liebes altes Gälisch. Es bedeutet »Hunderttausendmal willkommen!<«
Der Hausherr lächelte: »Wie herzlich!«
Das Abendessen verlief so fröhlich wie alle Abendessen, bei denen jeder Gast nach Herzenslust Champagner trinken kann.
Kilwhillie wurde beinahe beredt, als er Mrs. Pedder-Wilson erklärte, was für Fehler die Regierung in bezug auf das Schottische Hochland stets begehe. Mrs. Pedder-Wilson war mehr als redselig, als sie Kilwhillie erklärte, warum ihr Mann sich geweigert hatte, den Posten als Parlamentssekretär beim Minister
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