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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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merkte sie, dass die
Last auf ihr nichts anderes war als der Schlaf. Sie breitete die Arme aus und
ergab sich.
     
    Judith wurde wach, weil es nach Kokosnuss und Curry roch. Die Sonne schien
durch das Fenster zum Westen und warf bizarre Schattenrisse an die Decke.
Etwas raschelte. Mühsam drehte sie sich um und blinzelte.
    Kaiserley saß auf der kleinen Couch und packte gerade eine Plastiktüte mit
Essen aus. Er stellte zwei Teller auf den niedrigen Tisch und arrangierte das
Besteck daneben.
    »Ich hoffe, Sie mögen Thai Kök. Ich bin durch die halbe Stadt gelaufen, nur um dieses Päd Kra Thao zu
bekommen.«
    Er entfernte die Alufolie von den Einwegtellern. Judith richtete sich
auf. Sie fühlte sich, als wäre sie gerade aus einer Narkose erwacht. Nur
langsam setzte die Erinnerung wieder ein. Sie sah sich um.
    Kaiserley hatte außer dem Essen auch eine Reisetasche besorgt. Die Tüte
eines Drogeriediscounters ließ auf Shampoo und Zahnbürste hoffen. Auf dem Tisch
standen eine Flasche Wein und zwei Gläser. Er schob einen der Teller in ihre
Richtung.
    »Was ist das?«
    »Wokgemüse, Chicken und Thai Basilikum. Lauwarm. Aber das Green Mango ist
den weitesten Weg wert. Auf dem Rückweg habe ich ein Auto gemietet.«
    Er nahm eine der weißen Plastikgabeln und begann zu essen. Judith zog den
Teller näher zu sich heran und schnupperte. Es roch gut. Sie nahm einen Bissen
und spürte plötzlich, wie hungrig sie war.
    »Unten steht ein Toyota mit Navigationsgerät. Ich weiß, dass Sie etwas
vorhaben, und Sie werden nicht alleine gehen. Wir können uns gleich nach dem
Essen auf den Weg machen.«
    »Wie viel Uhr ist es?«
    »Gleich sechs. Wohin wollen Sie?«
    Judith hielt Kaiserley ihr Glas entgegen und ließ sich von ihm
einschenken. Er hatte geduscht und sich rasiert. Mit seinem Drei-Tage-Bart
hatte er ihr besser gefallen. Aber wahrscheinlich mochte Sofie so etwas
nicht... Sie riss sich zusammen. Es war gut, dass Kaiserley in dieser Hinsicht
versorgt war. Dann würde ihr Einzelbett auch ein Einzelbett bleiben. Sie
überschlug im Kopf, was es ihr bringen würde, Kaiserleys Begleitung auszuschlagen.
Im Moment nichts.
    »Zur deutschen Kirche. Dorthin geht Borgs Urne, wenn die Untersuchungen
abgeschlossen sind und sie kremiert ist. Wenn sie da begraben werden soll, muss
die Gemeinde denen ja Bescheid sagen.«
    Kaiserley ließ die Gabel sinken, die er schon fast an den Mund geführt
hatte. Für einen Moment wirkte er überrascht, doch er fing sich im Bruchteil
einer Sekunde. Sein eigenes Glas war voll, er trank es in einem Zug halb leer.
Dann nickte er.
    »Saubere Recherche. Ich frage lieber nicht, wie Sie an die Information
gekommen sind. Falls Borg noch eine Familie hat, muss ich zu ihr. Am besten
gleich heute Abend. Je schneller, je besser.«
    »Wir.«
    »Ich.«
    »Warum so eilig?«
    »Weil ich nicht will, dass Sie nach Borg die Nächste sind. Wir
hinterlassen Spuren. Egal, was wir tun. Irgendwann wird Borgs Mörder uns
finden. Er scheint sich hier auszukennen. Es gibt noch viele alte Kontakte aus
alten Zeiten.«
    »Haben Sie sich deshalb mit falschem Namen hier angemeldet?«
    »Ja.«
    Judith aß weiter. Arme Sofie. Sie hatte so glücklich ausgesehen, als sie
Kaiserley wiedererkannt hatte. Dabei musste er sie schon vom ersten Moment an
angelogen haben.
    »Falsche Ausweise haben doch nur aktive Agenten und Kriminelle. Sind Sie
jetzt beides oder was?«
    »Ich habe noch ein paar Freunde aus der guten alten Zeit.«
    »Sie haben Freunde?«
    »Es gibt eine ganze Menge Leute beim BND, die genauso unzufrieden sind,
wie ich es bin.«
    »Und die fälschen Ausweise?«
    Kaiserley schüttelte den Kopf. Judiths offensichtliche Naivität schien
ihn zu amüsieren.
    »Wenn überhaupt, wird nachempfunden.«
    »Nachempfunden?«
    »Deutsche Papiere für erfundene Lebensläufe kommen tatsächlich aus der
Bundesdruckerei. Der BND hat Verbindungsreferenten in den Stadtverwaltungen
aller Landeshauptstädte. Die füllen ganz klassisch die Antragsbögen nach den
Vorgaben des BND aus. Name, Adresse, Geburtsort, Passbild. Dafür bekommen sie
ein paar Euro extra. Sie tüten sie zusammen mit den normalen Anträgen von normalen
Leuten ein und versenden sie an die Bundesdruckerei. Vier Wochen später hat der
Agent seinen neuen Pass. Echter als echt. Zusammen mit der Legende eine zweite,
hieb- und stichfeste Identität. Ich hatte zeitweise sechs. Thomas Weingärtner
ist Versicherungskaufmann und würde in Ihrem Fall dringend zu einer
Risikolebensversicherung

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