Herrmann, Elisabeth
Wilhelm Keitel. Danach
CIA-Außenstelle und von der Klimaanlage bis zum eigenen Fotolabor mit allen
Raffinessen ausgestattet, die man von einem modernen Geheimdienst erwartete.
Der BND zog quasi als Untermieter ein und hatte noch nicht mal eine
Kaffeemaschine. Wie immer im Souterrain der Weltgeschichte.
»Kaiserley suchte immer noch nach diesem Maulwurf. Er ist damit einfach zu
weit gegangen. Er verdächtigte jeden. Alle, Kellermann, mich, sogar den
Stadtkommandanten. Beweise hatte er nicht, und irgendwann war er nicht mehr
tragbar. Er war ein Abenteurer, ein Hasardeur. Aber keiner von der glücklichen
Sorte. Er hatte etwas Getriebenes an sich, etwas zutiefst Verzweifeltes. Solche
Menschen haben kein Glück. Von ihnen sollte man sich fernhalten.«
Teetee ließ sich auf den Rücken fallen und starrte an die Decke. Hätte er
diesen Ratschlag nur früher befolgt.
»Wenig später wurde uns die Rosenholz-Datei von den Russen zum Kauf
angeboten. Wir haben die Namensliste offiziell der wiedervereinigten
Bundesrepublik übergeben. Aber ein zweiter Guillaume war wohl nicht dabei. Bis
jetzt wenigstens.«
1974 war der persönliche Referent des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt,
Günter Guillaume, enttarnt worden. Brandt war daraufhin zurückgetreten. Die
Affäre war eine Niederlage für beide Seiten, die den Beginn der
Entspannungspolitik schwer belastete. Markus »Mischa« Wolf, damals Chef der HV
A, bezeichnete den Sturz Willy Brandts sogar als riesige Panne.
Das war lange vor Teetees Zeit gewesen. Alles, was er darüber wusste,
hatte er in seiner Ausbildung gelernt. Es hatte ihn nie sonderlich
interessiert.
»Rosenholz ist nicht vollständig. Weil ihr eine ganze Registratur unterschlagen
habt.«
»Nicht wir. Die Russen, Baby.«
»Auch die offizielle Version? Das ist doch bis heute nicht eindeutig
geklärt.«
»Eine andere gibt es nicht.«
Teetee schloss die Augen und spürte, wie sie ihr Gewicht verlagerte und
sich über ihn beugte.
»Falls du irgendwann einmal Kontakt mit ihm haben solltest ...«
»Hab ich nicht.«
»Falls doch ...«
»Ich kenne keinen Kaiserley. Nie gehört.«
»Wenn er dich um Hilfe bittet...«
Ihr Mund öffnete sich, ihre Zunge spielte mit ihm, und ihre Hand glitt
über seinen Bauch hinunter zum Zentrum seines Begehrens, wo sich das Blut heiß
und pochend sammelte. Er stöhnte und hatte Mühe, sich auf das zu konzentrieren,
was Angelina ihm ins Ohr flüsterte.
»Sag ihm, dass er aufhören soll. Er weckt die falschen Schläfer.«
Das Hotel hieß Linneaholm Slott &c Pensionat und befand sich, umtost von mehrspurigen Schnellstraßen, in
einem überschaubaren und nicht sehr gepflegten kleinen Park. Direkt dahinter
lag ein Heizkraftwerk. Das Haus hatte nur drei Zimmer, und vor langer Zeit musste
es ein ländlicher Gutshof gewesen sein. Erbaut im neunzehnten Jahrhundert,
wirkte es in seinem strahlenden baltischen Weiß, mit dem verspielten Turm und
den halbrunden Fenstern wie ein Relikt aus alter Zeit im Fadenkreuz der
Autobahnzubringer.
Sie waren die einzigen Gäste, der Parkplatz war leer. Während Kaiserley an
der Rezeption darauf wartete, dass von irgendwoher jemand auftauchen und auf
ihr Klingeln reagieren würde, tat Judith so, als ob sie das glänzende Parkett
und die verspielten Stuckarbeiten an der Decke bewundern würde. Sie fragte
sich, ob er ein Doppelzimmer nehmen würde und wie sie darauf reagieren sollte.
Sie war alt genug, um zu wissen, dass die Versuchung in manchen Fällen auch
eine Frage der Bequemlichkeit war. Er war ein gutaussehender Mann. Sie war
nicht mehr wütend auf ihn. Sie empfand auch nichts für ihn. Aber sein selbstherrliches
Auftreten ließ darauf schließen, dass er auch in anderen Lagen wissen würde,
was er tat. Ein Mann und eine Frau in einer fremden Stadt, in einem Zimmer, in
einem Bett. Vielleicht würde es mehr Energie kosten, der Versuchung zu
widerstehen, als ihr nachzugeben.
Sie war müde. In ihren Handflächen pochte der Schmerz. Sie sehnte sich
nach einem Bett und traumlosem Schlaf. Gleichzeitig stürmte eine Flut von
überwältigenden Gefühlen durch ihr Herz, und sie wäre am liebsten sofort
aufgebrochen in den Köpenhamnsvägen. Sie dachte nicht im Traum daran, Kaiserley
allein weitersuchen zu lassen. Sie musste ihn loswerden. Aber sie musste auch
schlafen. Sie musste weg. Aber sie musste auch bleiben. Was, zum Teufel, war
bloß los mit ihr?
»Thomas!«
Eine hübsche, fröhliche Frau Anfang vierzig kam vom Garten herein und
lachte
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