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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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Eindruck. Wütend holte Judith eine Mülltüte aus dem
Wagen und hob das Bündel mit spitzen Fingern hoch. Sie wollte gar nicht wissen,
was es war, ließ es einfach in den Sack fallen und warf ihn ganz nach hinten
auf die Rampe.
    Sie zog
einen frischen Kittel an und strich sich über die Haare. Dann machte sie sich
auf den Weg zu dem Hausmeister, der mit seinen Schlüsseln klimperte und wieder
die Straße hinunterspähte. Der Fußweg zu der verglasten Eingangshalle war ordentlich
gefegt. Der Mann nahm seinen Job ernst.
    Fricke
wurde erst auf sie aufmerksam, als sie direkt vor ihm stehen blieb. Die kleinen
Augen in seinem Eulengesicht weiteten sich. Vielleicht hatte er mit einer
Streitmacht von zehn verhüllten Nahkämpfern gerechnet. Vielleicht auch mit
einer Kohorte türkischer Putzfrauen. Sie kannte diese Reaktion und streckte ihm
die Hand entgegen, die er nur zögernd ergriff. »Judith Kepler«, sagte sie. »Ich
bin der Cleaner.«
     
    Fricke
hatte an diesem frühen Abend wohl auch etwas anderes vorgehabt. Seine schlechte
Laune verbarg er nur ungenügend hinter einem Schweigen, das acht Stockwerke
lang andauerte. Dann öffneten sich die Fahrstuhltüren, und er ging, ohne sich
nach Judith umzusehen, voran in einen hellen, blassviolett gestrichenen Flur
mit mattbeigem PVC-Fußboden. Judith zählte sechs Wohnungen: drei links und drei
rechts. Am Ende des Flurs befand sich ein großes Fenster ohne Riegel. Fricke
hielt auf die letzte Tür auf der linken Seite zu und durchtrennte das Siegel
mit einem Schlüssel, als würde er das jeden Tag machen. »T. Borg« stand auf dem
Klingelschild. Wenn Borg die Tür aufschloss, konnte er dabei nach rechts auf
den gegenüberliegenden Wohnblock und die Landsberger Allee sehen. Und damit
auf ihre, Judiths Wohnung. Gerade fuhr eine Straßenbahn vorbei. Aber Borg
schloss aller Wahrscheinlichkeit nach die Tür nicht mehr auf. Fricke machte das
jetzt. Er hielt sie auf und wartete, dass Judith an ihm vorbei eintreten würde.
    »Den Müll
müssen Sie entsorgen.« Er wies auf zwei blaue Säcke, die nebeneinander im Flur
standen. »Die haben wohl geglaubt, ich mache den Rest. Aber da täuschen die
sich.«
    Er stand
in der offenen Tür, nestelte an seinem Schlüsselbund herum und drückte Judith
dann drei Sicherheitsschlüssel in die Hand.
    »Der ist
für unten, der für oben. Und der da für den Briefkasten. Da ist noch das
Siegel dran, das muss auch ab. Machen Sie das jetzt alles?«
    »Ja.«
    »Ihr Chef
hat ja Gottvertrauen.«
    Die
Aufzugstüren öffneten sich. Die ältere Dame mit dem Hund erschien, erschrak und
wollte schnell an ihnen vorbei in die gegenüberliegende Wohnung. Doch der Hund
hatte andere Pläne. Er eilte wieselflink, schwanzwedelnd und schnuppernd auf
sie zu.
    »Peppi!«,
rief die Frau. »Bei Fuß!«
    Fricke packte
das Tier am Halsband. Es quiekte ungehalten und begann zu jaulen.
    »Hunde an
die Leine!«, blaffte er.
    Die Frau
wagte sich drei Schritte vor und griff nach ihrem Goldschatz. Sie warf noch
einen neugierigen Blick in die Wohnung, in der bis vor kurzem ihr Nachbar
gelebt hatte, und verzog sich wortlos.
    »Also
dann. Der Müll muss weg. Alles, was der Frau gehört hat. Viel war es nicht. Das
entsorgen Sie, ist das klar? Noch Fragen?«
    Also war
es eine Frau Borg, die hier gewohnt hatte. »Waren die Verwandten schon da?«
    »Keine
Verwandten. Keine Erben, so wie es aussieht, aber die hatte auch nichts, was
sich gelohnt hätte. War wie auf der Durchreise. Kaum eingezogen und schon tot.
Also sehen Sie zu, dass Sie schnell fertig werden. Wir haben Interessenten für
die Wohnung.«
    Judith
behielt ihren neutralen Gesichtsausdruck bei. Das ging ganz leicht, wenn man
zwischen sich und den anderen eine unsichtbare Wand hochzog.
    »Ja.«
    »Und den
Müll nicht einfach hinters Haus stellen. Sie sehen ja, die Hunde streunen hier
nur so rum. Klar?«
    »Klar.«
    »Und bis
Montag ist das hier picobello.«
    Judith
schwieg. Irritiert sah Fricke sie an. Judith nickte.
    »Na
dann...«
    Fricke
tippte sich an die Stirn und ging zurück zum Fahrstuhl.
    »Die
Schlüssel in den Briefkasten.«
    »Aye aye,
Chef.«
    »Und
machen Sie das ordentlich. Ich will nicht, dass die Maler kotzen. Sind Kumpel
von mir.«
    »Wird
gemacht, Meister.«
    Fricke
überlegte. Aber ihm fiel nichts mehr ein, also drückte er auf den Knopf, und
die Türen des Aufzugs öffneten sich.
    »Die Säcke
kommen mir nicht hier rein.«
    Judith
warf einen Blick durch das Flurfenster auf die Parkplätze. Die Autos sahen

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