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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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Madita noch enger an sich. Das Kind schlüpfte aus der
Umarmung und lief in die Küche.
    »Köttbullar! Danke!«
    Gillis wollte ihr folgen, aber Volfram hielt sie zurück. »Was um Himmels
willen hast du getan?«, fragte er leise.
     
    Eine Jeans, ein Sweatshirt.
    Judith stand in der Umkleidekabine und hoffte, dass Kaiserley ihr ihre
Unentschlossenheit abkaufen würde. Grau oder Schwarz? Er stand direkt vor dem
Vorhang. Sie konnte seine Schuhe sehen, wenn sie sich bückte. Wanderstiefel,
cognacbraun. Irgendetwas Teures.
    »Es passt nicht«, sagte sie. »Ich brauche es eine Nummer kleiner.«
    Er sprach auf Englisch mit der Verkäuferin, ohne seinen Wachposten zu
verlassen. Die Frau hatte sie sofort als Touristen identifiziert und sich nach
einem kurzen Blick auf Judiths Aufzug entschlossen, keine Fragen zu stellen,
sondern aus dem offensichtlichen Bedarf ihren Vorteil zu ziehen. Wenigstens
hatte sie einen Blick für Maße. Die Jeans passte wie angegossen.
    Kaiserley reichte Judith ein anderes Sweatshirt durch den Spalt. Sie nahm
es entgegen und legte es auf den immer höher werdenden Stapel. Sie hatte
gehofft, dass sich vielleicht beim Einkaufen eine Gelegenheit ergeben könnte,
sich aus dem Staub zu machen. Aber der Exagent ließ sie nicht aus den Augen.
    »Das kann doch nicht so schwer sein«, hörte sie ihn sagen. »Ist die Jeans
wenigstens okay?«
    »Ja.«
    Sie zog den Vorhang zur Seite. Sie trug die Hose und das erste Sweatshirt,
das sie aus dem Regal gezogen hatte. Gemeinsam gingen sie zur Kasse, wo
Kaiserley bezahlte und die Verkäuferin mit einer Schere die Preisschilder
abschnitt. Das Whiskey-T-Shirt legte die Frau mit spitzen Fingern zusammen,
steckte es in eine Plastiktüte und reichte beides über den Tresen.
    »Adjö«, sagte sie.
    »Hejdä«, antwortete er.
    Das Kaufhaus lag in der Nähe des Stortorget, eines belebten Platzes, der
von der Renaissancefassade des Rathauses dominiert wurde. Ringsum befanden
sich Restaurants, Cafes und Geschäfte. Es war später Vormittag. In der
Fußgängerzone wimmelte es von Menschen, Einheimische und Touristen. Kaiserley
hatte noch nicht durchblicken lassen, wie er sich die weitere Gestaltung ihres
Ausfluges vorstellte. Sie jedenfalls wollte sich so schnell wie möglich in
Richtung deutsche Kirche absetzen.
    Er steuerte auf einen Coffeeshop zu. Er ging die ganze Zeit dicht neben
ihr. Am Anfang hatte er versucht, wie unabsichtlich beim Überqueren der Straße
nach ihrem Arm zu greifen. Sie hatte sich sofort losgerissen, seitdem vermied
er jede Berührung. Aber seine Nähe war ebenso präsent und aufdringlich wie ein
Paar angelegte Handschellen. Sie wusste, er würde sie auf Schritt und Tritt
beobachten, und tat so, als würde sie seine fürsorgliche Aufmerksamkeit nicht
bemerken.
    »Wollen wir was trinken?«, fragte er.
    Judith nickte. Sie setzten sich vor dem Cafe an einen freien Tisch. Judith
verstaute die Plastiktasche unter ihrem Stuhl. Sie würde sie hier liegen
lassen.
    »Sieht gut aus.« Sein Blick streifte ihre Jeans.
    »Danke«, knurrte sie. Sie hatte ihn nicht gezwungen, sich um ihr Aussehen
zu kümmern. Andererseits waren ihre Möglichkeiten ohne ihn in Malmö ziemlich
begrenzt.
    Er bestellte bei einer gestressten Studentin zwei Latte macchiato und
lehnte sich zurück. Der Himmel war strahlend blau, mit schnell
vorüberziehenden, schneeweißen Wolken. Wenn die Sonne zwischen ihnen aufblitzte,
wurde es in Sekundenschnelle heiß.
    »Nun sind wir da angekommen, wo Sie hinwollten«, begann er. »Und nach
Ihrem Lachanfall auf der Fähre möchte ich jetzt wirklich gerne wissen, was Sie
vorhaben.«
    »Das ist privat.«
    »Irrtum. Seit dem Mord an Christina Borg tendiert Ihre Privatsphäre gegen
null. Ihr einziges Glück ist, dass Sie nichts mehr bei sich haben. Damit sind
Sie den Kollegen zumindest für ein paar Stunden entwischt.«
    »Mit Kollegen meinen Sie doch wohl den BND.«
    »Nicht nur. Also beantworten Sie mir jetzt bitte meine Fragen, sonst
werden sie Ihnen bald von anderen gestellt. Und die sind nicht so charmant wie
ich.«
    Judith kniff die Augen zusammen, weil die Sonne sie blendete. Und weil
Charme so ziemlich das Letzte war, was ihr im Augenblick zu Kaiserley einfallen
wollte.
    »Wo sind die Mikrofilme?«, fragte er.
    »Ich habe keine Ahnung, von was Sie reden.«
    »Jetzt stellen Sie sich dümmer, als Sie sind.«
    »Im Ernst. Ich weiß es nicht. Hat das alles etwas mit diesen Dateien zu
tun, von denen in dieser Talkshow die Rede war?«
    »Rosenholz.

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