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Herrndorf, Wolfgang - Sand

Herrndorf, Wolfgang - Sand

Titel: Herrndorf, Wolfgang - Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troll Trollson
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Father. I feel the good in you, the conflict. Darth Vader: There is no conflict.
    Return of the Jedi
     
    «Wir werden Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen», sagte der zweifelhafte Psychiater, der auf einer länglichen Kiste der Daimler Benz AG direkt vor Carl Platz genommen hatte. Zu seinen Füßen lag das schwarze Kästchen. Weiter hinten in der dunkelsten Ecke der Höhle stand der Bassist und rauchte, ein glimmender Punkt. Schräg vor Carl auf dem Boden kauerte der Syrer zwischen den elektrischen Verbindungen.
    «Ganz einfache Fragen. Antworten Sie nur mit ja oder nein oder klaren Aussagesätzen. Stellen Sie keine Gegenfragen. Die Fragen, die wir an Sie haben, sind Ihnen alle schon einmal gestellt worden. Jedenfalls die meisten. Wobei wir Grund zu der Annahme haben, dass die Antworten, die wir bisher bekommen haben, in keinem besonders innigen Verhältnis zur Wahrheit standen. Deshalb fragen wir jetzt noch einmal. Und ich beginne mit der einfachsten Aufgabe von allen: Wie heißen Sie?»
    «Weiß ich nicht.»
    «Tatsächlich nicht? Wenn Sie an dieser vergleichsweise einfachen Frage schon scheitern – haben Sie eine Ahnung, was dann auf Sie zukommt?» Cockcroft hatte sich ein wenig vorgebeugt. In seinem Vollbart hingen Tabakkrümel. «Ich wiederhole meine Frage. Wie heißen Sie?»
    «Weiß ich nicht.»
    «Ihr letztes Wort?»
    «Sie wissen, dass ich das nicht weiß.»
    «Spekulieren Sie nicht über mein Wissen. Ich weiß mehr, als Sie denken. Antworten Sie.»
    «Wenn Sie Arzt wären, wüssten Sie das auch.»
    «Ich bin Arzt. Erinnern Sie sich an meinen Namen?»
    «Cockcroft.»
    «Dr. Cockcroft.»
    «Aber Sie sind kein Doktor.»
    «Da täuschen Sie sich. Nur ist das nicht die Frage. Die Frage ist: Wer sind Sie?»
    « Wissen Sie es?»
    «Was hatte ich Ihnen über Gegenfragen gesagt?»
    «Aber Sie wissen es, oder? Sie wissen, wer ich bin? Oder was ich gemacht habe? Warum sagen Sie’s nicht einfach?»
    «Weil Sie Frage eins noch nicht beantwortet haben. Und Sie bekommen jetzt die allerletzte Gelegenheit dazu.» Cockcroft hob den Fuß, ließ ihn wenige Zentimeter über dem schwarzen Kästchen schweben und wiederholte in genau dem gleichen Tonfall wie zu Anfang: «Wie heißen Sie?»
    «Weiß! Ich! Nicht!», brüllte Carl.
    Der Fuß hing eine Weile unentschlossen in der Luft und sackte dann hinunter. Carls Körper verkrampfte sich in Panik. Sein Kopf flog zurück, er presste stoßweise Luft durch die Nase und zog sie durch die Backenzähne wieder ein.
    In Erwartung des Stromstoßes hatte er alle Muskeln angespannt. Das Ausbleiben des Schmerzes trieb ihm die Tränen in die Augen. Der Bassist, der herangekommen war, beobachtete Carls Reaktion zufrieden, der Syrer mit zusammengekniffenen Augen und Cockcroft stirnrunzelnd. Er schaltete den grauen Kasten aus und wieder ein und betätigte erneut den Schalter. Carl krampfte mit leichter Zeitverzögerung. Abermals kein Schmerz. Cockcroft sah seinem Gegenüber in die Augen, wartete einige Sekunden und machte dann drei schnelle, unregelmäßige Bewegungen mit dem Fuß. Carl versuchte, so gut es ging, im selben Rhythmus zu krampfen und zu stöhnen. Cockcroft schüttelte den Kopf. Mit ein paar raschen Tritten beförderte er das schwarze Kästchen außer Sichtweite. Kurz war es still. Dann gereiztes Herumtrampeln auf dem Schalter.
    «Der Kerl spürt überhaupt nichts», sagte Cockcroft.
    Die Männer untersuchten die Verkabelung, rüttelten an der grauen Kiste und drehten sie herum. Sie zogen die Elektroden von Carls Haut, hielten sie an ihre eigenen Unterarme, befeuchteten sie mit Speichel und klebten sie zurück. Sie ließen die Kabel Stück für Stück durch ihre Hände gleiten. Der Syrer zog die Verbindungsstecker ab und rieb das Metall blank. Sie rüttelten an den Kontakten, sie schraubten den Fußschalter auf und wieder zu und drückten darauf herum. Nach quälend langen Minuten entdeckten sie schließlich eine Stellschraube auf der Rückseite der grauen Kiste. Erleichtert drehte der Syrer das Potentiometer mit dem Schraubenzieher ganz nach rechts, und der Bassist sagte: «Sind wir dann so weit?»
    Sie wandten sich wieder dem Gefangenen zu. Cockcroft schloss den elektrischen Kontakt, und Carl flog mit dem Stuhl gegen die Wand.
    Es fühlte sich an wie flüssiger Sprengstoff, den man in jede Ader, jedes Gefäß hineingepumpt hat und lautlos zur Explosion bringt.
    «Erstaunlich dafür, dass er sich gar nicht bewegen kann», sagte der Syrer. Er stellte mit dem Bassisten zusammen den

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