Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
der Cassi und der Trinovantes beobachten dagegen Comm, warten gespannt auf seine Reaktion.
Sie müssen nicht lange warten.
Comm erhebt die Stimme, um die atrebatischen Stammesherren zu übertönen: »Als Herrscher der Atrebates jenseits des Wassers und als der Einzige hier im Kreis, der die Kampfweise der Römer selbst erlebt hat, beanspruche, nein, erkläre ich im Namen der Freiheit die Oberherrschaft auch über die diesseitigen Atrebates, damit diese den hier vertretenen Stämmen gleichwertige Verbündete im Kampf gegen die römische Bedrohung sein können!«
Comm spürt ein warmes Gefühl der Befriedigung in sich aufsteigen, als er sieht, dass sich die anderen Herrscher in der Runde anerkennend zunicken. Die Proteste der atrebatischen Ratsherren werden leiser, klingen fast ein wenig hilflos. Comm hat sie nicht nur in Anwesenheit der anderen Stammesführer gedemütigt, er hat Tatsachen geschaffen, die sie angesichts der Bedrohung von außen nicht mehr leugnen können. Er hat als starker Mann gerade die anderen starken Stämme zum gemeinsamen Widerstand gegen die Römer aufgerufen und deren uneingeschränkten Zuspruch erhalten. Aber länger hätte er nicht warten dürfen. Nur kurz nachdem Informationen über Caesars Vorbereitungen für seinen geplanten Angriff auf Britannien durchgesickert waren, sind mehrere britannische Herrscher bei Caesar vorstellig geworden, haben um Gnade für ihre Stämme gebeten und Caesar ihre Unterstützung angeboten.
Und soweit er weiß, ist Avarwy, der Trinovante, unter ihnen gewesen.
Comm hatte auf seiner Reise hierher beschlossen, dass diese Information nicht dazu geeignet war, den Einheitsgedanken der versammelten Herren zu schüren. Avarwy hing sicher an seinem Leben, also würde er schweigen. Also hat Comm heute Mut zur Lücke bewiesen …
Comm atmet tief durch. Sein Plan scheint aufzugehen. Vielleicht auch, weil er den Versammelten eine wichtige Information unterschlagen hat. Er hat »vergessen« ihnen zu sagen, dass Gaius Iulius Caesar ihn nicht von ungefähr geschickt hat. Der römische Feldherr hatte bewusst ihn, den Atrebaten, für diese Mission ausgewählt.
Allerdings hat er diese Entscheidung Caesars wahrscheinlich nur der Tatsache zu verdanken, dass er diesem gegenüber vorweggenommen hatte, wofür er eigentlich erst heute die Grundlagen legt. Doch das Risiko, Caesar zu erzählen, dass er bereits der Herrscher der britannischen Atrebates wäre, und durch eine Dummheit als Lügner entlarvt zu werden, hatte er für überschaubar gehalten …
Hätte Gaius Iulius Caesar in den Jahren 55 und 54 v. Chr. tatsächlich auf seine beiden militärischen Expeditionen verzichtet, wenn ihm die südbritannischen Stammesherrscher in dieser Situation die Unterwerfung erklärt hätten? Immerhin war Gallien noch weit davon entfernt, befriedetes Territorium zu sein. Jede militärische Aktion jenseits des Ärmelkanals hätte Ressourcen gebunden, die dann in Gallien nicht zur Verfügung gestanden hätten. Und in Britannien wäre Caesar noch weiter weg von Rom und den Intrigen des Pompeius. Darüber hinaus ist zum Zeitpunkt der ersten Expedition das Jahr schon so weit fortgeschritten, dass allein das Wetter schon ein Risiko darstellt.
Und doch: Als Caesar am 24. August des Jahres 55 v. Chr. mit zwei Legionen und Kavallerie auf 98 (zum großen Teil von den geschlagenen Venetii requirierten) Schiffen von Portus Itius (entweder Wissant oder Boulogne-sur-Mer) in Richtung Britannien ablegt, ist das keine Reaktion auf ein verstrichenes Ultimatum. Es ist Teil eines so großen Plans, dass auch eine formelle Erklärung der Stammesführer in Britannien nichts an seiner Entscheidung geändert hätte. Dafür spricht schon allein die Tatsache, dass seine Legionen bereits beim Einschiffen in Wissant und (vermutlich) Ambleteuse sind, als Comm vor den südbritannischen Herrschern spricht. Zudem kreuzt zur selben Zeit eine römische Galeere vor der britischen Küste, auf der Suche nach einem geeigneten Landeplatz.
Caesar will auf jeden Fall nach Britannien. Aus schon erwähnten Gründen muss Caesar nach Britannien. Wie wichtig ihm diese Aktionen sind, zeigt schon allein die Akribie, mit der er in De bello Gal l ico , der einzigen Dokumentation seiner militärischen Aktionen in Britannien, auch diese Episoden protokolliert. Eine offizielle Begründung für die Expedition(en) nach Britannien ist schnell gefunden. Es ist eine »Vergeltungsaktion« für die Entsendung von Kriegern nach Gallien sowie die
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