Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
die Andere Welt reisen und wieder zurückkehren kann (gelegentlich werden Menschen auch gezielt als ›Botschafter‹ auf die andere Seite geschickt – wie unerfreulich für den Einzelnen und barbarisch dies aus moderner Sicht auch erscheinen mag), allerdings geht man realistischerweise davon aus, dass niemand freiwillig von solch einem paradiesischen Ort wiederkehren wollte.
An einem Tag im Jahr (oder besser: in einer Nacht) jedoch ist alles anders. An diesem Tag öffnen sich die Tore zur Anderen Welt und die Götter und Geister mischen sich – natürlich unsichtbar – unter die Menschen, feiern mit ihnen und spielen ihnen Streiche. Das ist die Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November, der Tag, an dem die Kelten das Fest des Winterbeginns feiern, auf Keltisch samhain genannt und in unseren Tagen als Halloween bekannt.
Bis in unsere Zeit dauert sie an, die Suche nach dem Ort, an dem die Seele im Menschen wohnt. Für die Kelten dagegen hat es nie einen Zweifel darüber gegeben, wo die menschliche Seele ihren Sitz hat.
Seelenjäger – Seelenbeschützer
Autoren der klassischen Antike haben schon immer mit angemessenem Ekel über die Sitte der Kelten berichtet, ihren Feinden den Kopf abzuschlagen; in den Augen der Klassiker eine unaussprechliche Entehrung der Toten. Kein Wunder also, dass die Gallier im Ruf stehen, ehrenlose Barbaren zu sein. Vor allem, weil sie nicht nur die Köpfe ihrer Gegner, sondern auch die ihrer eigenen Kampfgefährten abschlagen.
Die Kelten betrachten den Kopf eines Menschen als die Heimstatt der unsterblichen Seele. Wenn ein Krieger seinem im Kampf schwerverwundeten Kameraden den Kopf abschlägt und mitnimmt, dann geschieht das nur aus einem Grund. Er will dessen Seele davor bewahren, in die Hände des Feindes zu fallen oder ruhelos in einem fremden Land herumzuwandeln, den Weg in die Andere Welt nicht zu finden. Wobei sie aus praktischen Erwägungen heraus nicht leichtfertig mit dem diesseitigen Leben ihrer Kampfgefährten umgehen, denn auch, wenn er wiedergeboren wird, so fehlt akut seine Kampfkraft. Sie tun dies nur, wenn sie in aussichtsloser Lage auf dem Rückzug sind und Verwundete nicht mitnehmen können, ohne den Rest zu gefährden, oder die Verletzungen so schwer sind, dass eine Heilung aussichtslos erscheint. Dabei gelten theoretisch alle Wunden als heilbar, es sei denn, es sind schwerste Schädel- oder Rückenverletzungen.
Wer einem besiegten Feind im Kampf den Kopf abschlägt, der verstümmelt ihn nicht, sondern ehrt ihn damit. Er nimmt seine Seele an sich um zu zeigen, dass sie ihn respektiert und seine Wiederkehr fürchtet. Gleichzeitig möchte der Sieger, dass die Kraft des im ehrenvollen Kampf Besiegten auf ihn übergeht, eine Vorstellung, die 1 : 1 und sehr effektvoll von den Machern der Kinofilme sowie der Serie »Highlander« übernommen wurde. Damit wird auch klar, dass längst nicht jedem die Ehre zuteil wird, den Kopf zu verlieren. Und eine Ehre ist und bleibt es, selbst, wenn der Kopf auf eine Lanze gespießt und auf der Mauer der heimischen Hügelfestung arrangiert, oder an das Geschirr des Pferdes gebunden wird. Die Häupter hochgeschätzter Feinde erfahren gelegentlich eine ausgesprochen exklusive Behandlung. Sie werden aufwändig präpariert, in Zedernöl eingelegt, die Augen durch Goldplättchen ersetzt und schließlich in einem extra angefertigten Kästchen aufbewahrt. Man stelle sich die Geschichten vor, die Schädel erzählen können, die über Generationen hinweg in Familienbesitz geblieben sind. Ihr Wert ist unermesslich, ein Verkauf – selbst gegen das Gewicht des Schädels in Gold – völlig undenkbar.
Schädelstele der kelto-ligurischen Saluvii aus der Gegend um Entremont.
Einen Schädel wohlpräpariert in einem sicheren Versteck aufzubewahren und ihn ausgewählten Gästen zu zeigen ist eine Sache.Sich mit abgeschlagenen Köpfen das Haus zu dekorieren eine andere. Doch wenn in den Heimen keltischer Kriegerfamilien Schädel wie Zimmerampeln von der Decke hängen, in Wandnischen stehen oder mit leeren Augen aus speziell zu diesem Zweck errichteten Steinsäulen starren, dann haben diese Einrichtungen keine Schmuckfunktion. Zumindest nicht primär. Sie stellen übersetzt in die klassische Denkweise von Römern und Griechen vielmehr so etwas wie einen Schrein dar. Und diesen Teil ihres Glaubens lassen sich die Kelten auch unter dem starken Einfluss griechischer Vorstellungen nicht nehmen, wie die Heiligtümer des kelto-ligurischen Stammes der
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