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Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Titel: Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Kranken geblieben, und als sie uns erreichten, haben wir uns nicht gewehrt. Sie trieben uns zusammen und brachten uns nach Ancyra. Ich hatte den anderen Frauen zuvor eingeschärft, den Römern nicht zu verraten, wer ich bin, weniger aus Angst um mich selbst, als vielmehr, um den Römern keine Handhabe zu bieten, Ortiagon zu erpressen. Doch sie fanden es heraus, und so wurden ich und meine Diener von den übrigen Gefangenen getrennt und einem römischen Offizier, einem Centurio , zur persönlichen Bewachung übergeben. Vom ersten Augenblick an hat dieser Mann versucht, mich dazu zu bringen, ihm zu Willen zu sein, zuerst noch durch Versprechungen und Geschenke.« Sie holt tief Luft. »Dann hat er sich mit Gewalt genommen, was ich ihm verweigert hatte.«
    Das Knistern des herunterbrennenden Feuers ist das einzige hörbare Geräusch. Alle Blicke sind auf Ortiagon gerichtet. Der sitzt wie versteinert. Er scheint nicht einmal zu atmen. Seine starren Augen hängen an Chiomaras Lippen. Ein Römer hat seiner Frau Gewalt angetan. Ein römischer Offizier hat von der Frau des Königs der Tolistobogier genommen, was nur diesem zusteht.
    Sie erhebt sich. »Es kann in dieser Welt nur einen Mann geben, der das Recht hat, mich zu berühren.« Mit diesen Worten greift sie in ihren weit geschnittenen Mantel und holt ein Bündel hervor. Mit einem Ausdruck von Ekel, so, wie man ein Stück verdorbenes Fleischvon sich schleudert, wirft sie den in Tuch gewickelten Klumpen zu Boden. Ortiagon kniet nieder und löst den Stoff. Er stockt einen Augenblick in seiner Bewegung. Dann steht er langsam auf und reckt den Arm in die Höhe. Dabei dreht er sich herum, damit das, was er in der Hand hält, für jedermann sichtbar ist.
    Ein Kopf. Ein junges bartloses Gesicht mit kurzen dunklen Locken und schmalen Lippen.
    Der Centurio .
    Alle Augen wandern wieder zu Chiomara. Die junge Frau steht aufrecht vor den Männern, trotzig das Kinn vorgeschoben.
    »Nachdem er sich von mir genommen hatte, was er wollte, verlangte es ihn nach etwas, das ich ihm nicht geben konnte: Gold. Er versprach mir, mich laufen zu lassen, wenn ich ihm eine bestimmte Menge Gold verschaffen würde. Ich schlug ihm vor, zwei meiner Diener zur Festung der Tectosagier zu schicken, um das Verlangte zu holen. Er stimmte zu, denn der Gedanke an das Gold hatte ihm den Verstand vernebelt. Ich tat also, als würde ich meine Diener nach dem Golde schicken, wies sie jedoch heimlich an, sich lediglich einen Tag in der Nähe des Gefangenenlagers zu verstecken. Am nächsten Abend führte mich der Centurio zu dem verabredeten Platz außerhalb des Lagers. Er war allein, denn seine Gier war größer als seine Vorsicht und sein Verstand zusammengenommen. Meine Diener erschienen und übergaben ihm entsprechend meiner Anweisung zwei kleine Säcke voller Steine. Während sich der Centurio nun niederkniete, um die Verschnürung zu öffnen, gab ich meinen beiden Dienern in unserer Sprache den Befehl, den Römer niederzuschlagen. Nachdem sie ihn zu Boden gestreckt hatten, ergriff ich sein Schwert und nahm seinen Kopf, um ihn als Zeichen meiner wiederhergestellten Ehre meinem Mann und König zu überbringen.«
    Für eine kleine Weile herrscht völlige Stille. Dann gibt es einen dumpfen Laut. Ortiagon hat den Kopf des Römers fallen lassen und tritt nun auf Chiomara zu. Ohne ein Wort zieht er sie in seine Arme und schließt die Augen.
    Ein metallisches Klirren lässt ihn wieder aufsehen. Alle Galater sind aufgestanden, haben ihre Schwerter gezogen und in den Himmel gereckt.
    Dann schreit einer: »Hoch Chiomara! Hoch Ortiagon! Nieder mit den Römern! «
    Diese – im Übrigen authentische – Erzählung korrespondiert eher mit der allgemeinen Einstellung keltischer Frauen zu Ehe und Treue. Diese Einstellung kommt auch in der ebenfalls überlieferten und vielfach zitierten folgenden Begebenheit zum Ausdruck. Als Kaiserin Julia Augusta der Frau des Fürsten Argentocoxus, Fürst eines keltischen Stammes im heutigen Schottland, ihre offen zur Schau gestellte Lust auf ihren Mann vorwirft erhält sie zur Antwort: »Wir erfüllen die natürlichen Bedürfnisse viel besser als ihr römischen Frauen, denn wir verkehren öffentlich mit den besten Männern, während ihr euch im Verborgenen von den niedrigsten besudeln lasst.« Ob Frau Augusta darauf etwas geantwortet hat, ist nicht überliefert. Angesichts einer Stadt mit einer derart ausgeprägten Bordell- und Straßenstrichkultur wie Rom (die auch vor Friedhöfen nicht

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