Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Titel: Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
sich die Praxis der Wasseropfer sogar bis ins 6. christliche Jahrhundert.
    Eine für beutegierige Eroberer eher unattraktive Angelegenheit sind die bis zu sechs Meter tiefen Ritualschächte. Sie liegen in der Regel weit ab von den Siedlungen und entweder innerhalb oder in unmittelbarer Nähe so genannter »Viereckschanzen«, großen Einfriedungen bestehend aus Erdwällen. Was immer in ihnen stattfindet, es hinterlässt so gut wie keine Spuren. Hier und da weisen ein paar Löcher im Boden auf hausähnliche Strukturen hin, aber ob es sich dabei um einen Schrein oder ein schlichtes Vorratshaus handelt, das entzieht sich schon wieder der Erschließung. Denkbar ist, dass die Opferriten durch Feste begleitet werden, wobei davon natürlich ebenfalls keine Überbleibsel bis in unsere Tage überlebt haben.
    Doch bieten die Kelten ihren Göttern nicht nur Geschirr, Geweihe und Waffen zum Tausch gegen göttliche Dienstleistungen an.
    Wo ist es? «, bellt Lucius. Der alte Gallier schaut ihn aus wilden, wirren Augen an und schüttelt den Kopf. Wutschnaubend zieht Lucius sein Kurzschwert und setzt dem Greis die Spitze an die Kehle. »Wo?«
    »Und wenn du ihm den Kopf absäbelst und in seinen Hals hineinbrüllst, er wird dich doch nicht verstehen, Centurio«, sagt Marcus. Er blickt sich suchend um. Auf dem Boden liegt eine kleine, achtlos weggeworfene Statuette; ein Mann mit zwei runden Auswüchsen an seinem Kopf. Marcus hebt sie hoch und hält sie dem Alten vor das Gesicht. Dessen Augen werden weit. Lucius verstärkt den Druck mit dem Schwert, ein kleiner Blutstrom rinnt aus der entstandenen Halswunde des Galliers in den Kragen seines Hemdes und zeichnet einen schwarzen Fleck auf den blauen Stoff. Die Augen flackern, dann sacken die Schultern nach vorn. Der alte Gallier nickt schwach.
    Lucius tritt zurück.
    »Ich denke, er meint, dass er uns jetzt hinführen wird«, sagt er. Er winkt drei Legionäre zu ihrer Begleitung heran, zu viele sollten es nicht sein, man weiß ja vorher nie, wie viel es zu verteilen gibt.
    Als ihre Gruppe unter der Führung ihres Gefangenen direkt auf den dichten Wald zusteuert, verlangsamen sich Lucius’ Schritte unwillkürlich. Was, wenn das eine Falle ist? Aber nein, dann hätte sich der Alte wohl kaum so lange bitten lassen …
    Eine ganze Weile stapfen sie durch den dichten Wald. Obwohl die Sommersonne nur an wenigen Stellen das dichte Blätterdach durchdringt, ist die Hitze fast unerträglich. Ihre Tuniken sind schweißnass, manchmal steigen unvermittelt große Schwärme aggressiver Mücken auf und vergrößern ihre Qual. Plötzlich stehen sie auf einem ausgetretenen Weg, und weiter vorn scheint der Wald lichter zu werden. Gerade denkt Lucius, dass sie es jetzt wohl geschafft haben, da bleibt der Alte auch schon stehen und zeigt mit müdem Blick nach vorn. Die Männer sehen sich an, schubsen den Gallier achtlos zur Seite, und beginnen, mit schnellen Schritten auf ihr Ziel zuzulaufen. Ein Schrein der Gallier! Gefüllt mit unendlichen Reichtümern! Lucius verfällt in einen schnellen Dauerlauf. Sein Atem geht schnell und rasselnd. Dann plötzlich endet der Wald, so abrupt, dass Lucius beim Stehenbleiben von seinem Schwung noch mehrere Schritte weit in die kleine Lichtung hineingetragen wird. Er erstarrt. Sein keuchender Atem bleibt in seiner Brust stecken. Seine Augen werden weit vor Entsetzen. Er will weglaufen, doch seine Beine versagen ihm den Dienst. Er steht und starrt. Hinter sich hört er Ausrufe des Grauens und die würgenden Geräusche von sich übergebenden Männern. Dann kann er den Atem nicht mehr anhalten. Mit einem Stöhnen lässt er die angestaute Luft heraus. Beim Einatmen stürzt heißer Verwesungsgestank in seine Lungen. Er wirft sich herum, fällt auf die Knie und würgt so lange, bis nur noch heißer grünlich-gelber Schleim kommt. Noch auf Knien beginnt er, zum Waldrand zurückzukriechen. Weg, nur weg von diesem grauenvollen Ort! Beim Jupiter! Diese Barbaren …!
    Diese Szene könnte sich so oder so ähnlich an verschiedenen Orten Galliens abgespielt haben, in der Nähe des heutigen Gournay, zum Beispiel. Hier wurden neben ungefähr 2000 rituell zerstörten Eisenwaffen eine große Zahl an Rindern, Pferden, Schweinen und Schafen geopfert. Ihre Kadaver fand man in einer festen Ordnung arrangiert. Tiere – vor allem Haustiere – sind wie in fast allen Kulturen fester Bestandteil der Opferzeremonien. Und als am Vorabend der römischen Invasion der Preis für die Gunst und den Schutz

Weitere Kostenlose Bücher