Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
Fruchtbarkeitsmittel für Mensch und Tier. Dieses Wissen, wie man Gift als Medizin einsetzt, kann fraglos nur von den Göttern kommen, und so sind die Einzigen, die die Mistel schneiden dürfen, natürlich die Druiden. Den klassischen Berichten nach ist das Mistelschneiden kein nüchterner Akt der Ernte, sondern ein zelebriertes Ritual. Bei dieser Arbeit tragen die Druiden ihre weißen Kutten und die goldenen Sicheln. Einmal vom Baum getrennt, darf die Mistel den Boden nicht berühren. Vielmehr wird sie in weißen Tüchern aufgefangen und feierlich zum Ort ihrer Verarbeitung getragen.
Wie weit die Anästhesie entwickelt ist, ist nicht überliefert. Sicher werden die Heilkundigen den einen oder anderen schmerzlindernden Trank verabreichen. Auch ist die Herstellung von Alkohol hinreichend bekannt. Ob das aber alles auch für eine Vollnarkose reicht?
Man mag es wünschen, denn das Auffinden von Wundhaken, Sonden und Trepanationssägen sowie sterblichen Überresten von Menschen, die mit diesen Instrumenten behandelt worden sind – und diese Behandlung überlebt haben – zeigt, dass die heilkundigen Druiden auch durchaus Chirurgie praktizieren. Sie scheuen auch nicht vor selbst für unsere Verhältnisse komplizierten Eingriffen zurück. Schädelöffnungen sind eine beliebte Methode zur Behandlung von psychischen Störungen.
Keine Behandlung, weder die Verabreichung von Naturheilmitteln noch die komplizierte Operation, findet jedoch statt ohne die Anrufung des Beistands der Götter. Und es entspricht völlig dem keltischen Charakter, dass sie nicht pauschal um die Genesung des Kranken oder Verletzten bitten, sondern dass sie in ihren Wünschen sehr konkret werden. Um jeglichen Verwechslungen vorzubeugen, werden den Opfergaben aus Holz gefertigte Modelle der Gliedmaßen und Organe beigelegt, deren Heilung man erfleht.
Drei Nächte, siebzehn Winter und gute Zeiten – schlechte Zeiten
Eine Gesellschaft, in der die Hauptsorge vieler Männer ihrem Status als Kriegsherr gilt. Eine Gesellschaft, in der begabte Handwerker Waffen, Schmuck und Dinge des täglichen Bedarfs herstellen, die durchaus die Bezeichnung »Kunstwerke« verdienen. Eine religiöse, gebildete Gesellschaft, die sich Priester, Wissenschaftler und Heilkundige leistet. Eine Gesellschaft, die eine große Zahl von Personen ernährt, die nicht mit der Produktion von Lebensmitteln befasst sind.
Doch so gering der nominelle Status der Bauern innerhalb der keltischen Gemeinschaftsstrukturen auch sein mag; es ist ihre Arbeit, die die unabdingbare Grundlage für das Funktionieren der Gesellschaft bildet. Und das wird nicht einfach so als selbstverständlich hingenommen, im Gegenteil. Diejenigen, die in der Hierarchie am höchsten stehen, die Druiden, verwenden höchstselbst viel Zeit darauf dafür zu sorgen, dass den Ackerbauern und Viehzüchter jede erdenkliche Unterstützung zuteil wird. Sie, die Druiden, sind es, die den Zyklus der Jahre und Jahreszeiten beobachten, Gesetzmäßigkeiten nicht nur erkennen, sondern den Menschen auch nahebringen. Sie zeigen ihnen die besten Zeitpunkte für die Aussaat, den Viehaustrieb, die Ernte, kurz, sie führen einen Kalender.
Dieser Kalender ist keine Erfindung der Druiden. Er ist uralt, mehr als 4500 Jahre. Er reicht zurück bis zu den jungsteinzeitlichenGemeinschaften, die sich den Stand der Gestirne und den Weg der Sonne dadurch einprägten, indem sie riesige Steine aufrichteten und in bestimmte markante Anordnungen brachten. Stonehenge, die Megalithenstraße von Carnac, das Sonnenobservatorium von Goseck und die Himmelsscheibe von Nebra in Sachsen-Anhalt sind nur einige Beispiele solcher prähistorischer Kalender. Den ersten »richtigen« Kalender der Kelten entdeckt man 1897 im französischen Coligny, 20 Kilometer nordöstlich von Bourg-en-Bresse. Dieser besteht nicht aus Stein, sondern aus einer Vielzahl von mit Schriftzeichen gravierten Bronzeplatten. Er selbst ist schwer zu datieren; aufgrund von Nebenfunden vermutet man das 2. Jahrhundert n. Chr. als Entstehungszeit. Zu diesem Zeitpunkt kann es kein Werk der Druiden mehr sein, auch wenn diese zweifellos erheblich zu seinen Grundlagen beigetragen haben. Der Kalender von Coligny ist auch kein Einzelstück. Einen ganz ähnlichen Kalender findet man nur ungefähr 35 Kilometer entfernt in Villards-d’Héria. Beide Kalender sind in lateinischen Buchstaben, jedoch eindeutig in keltischer Sprache abgefasst.
Die Gestalt des Kalenders mag sich in den davor liegenden 4500
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