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Herrscher der Erde

Herrscher der Erde

Titel: Herrscher der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Herbert
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Ernsthaftes handelt, was ...«
    Er nahm seine Tasche von der linken in die rechte Hand und tätschelte ihren Arm. »Beunruhigen Sie sich nur nicht. Die Kolonisten schätzen sich glücklich, ein musikalisches Genie in ihren Reihen zu haben. Wir werden nicht zulassen, daß ihm etwas zustößt.«
     
    Dr. Linquist hatte das runde Gesicht und die zynischen Augen eines gefallenen Engels. Seine Stimme drang in Wellen aus ihm hervor, die die Zuhörer unter sich begruben. Der Psychiater und seine Kollegen befanden sich fast bis zehn Uhr abends bei David. Dann verabschiedete Dr. Linquist die anderen und kam in das Musikzimmer, in dem Margaret wartete. Er setzte sich auf den Klavierschemel.
    Margaret saß in ihrem Ohrensessel, dem Möbelstück, das sie von allen im Haus am meisten missen würde. Der langjährige Gebrauch hatte Konturen in den Sessel gegraben, die sich genau ihrem Körper anschmiegten, und der rauhe Überzug vermittelte das angenehme Gefühl der Vertrautheit.
    Durch die Fenster erklang der Chor der Grillen.
    »Wir können mit Gewißheit sagen, daß es sich um eine Fixierung auf das Klavier handelt«, begann Dr. Linquist. Er hieb sich mit den flachen Händen auf die Knie. »Haben Sie jemals daran gedacht, den Jungen daheim zu lassen?«
    »Doktor!«
    »Es war nur eine Frage.«
    »Steht es so schlimm mit Davey? Ich meine ... schließlich ... wir werden alle bestimmte Dinge vermissen.« Sie rieb eine Armstütze des Sessels. »Aber um Himmels willen, wir ...«
    »Ich verstehe nicht allzuviel von Musik, habe jedoch von Kritikern erfahren, daß der Junge bereits Konzertreife besitzt, daß man ihn mit Absicht zurückhält, um ihn nicht einer neuerlichen Verwirrung auszusetzen.« Der Psychiater zupfte an seiner Unterlippe. »Sie wissen natürlich, daß der Junge seinen Großvater vergöttert?«
    »Er hat alle alten Filme gesehen, sich alle Aufnahmen angehört. Er war erst vier, als Großvater starb, aber er erinnert sich an alles, was sie je zusammen taten. Es war ...« Sie zuckte mit den Achseln.
    »David identifiziert – sein ererbtes Talent mit dem geerbten Klavier. Er ...«
    »Aber Klaviere kann man ja ersetzen. Könnte nicht einer der Tischler der Kolonie ...«
    »O nein. Es wäre nicht das Klavier von Maurice Hatchell. Sehen Sie: Ihr Junge ist sich zu stark der Tatsache bewußt, sein Talent von seinem Großvater geerbt zu haben – ebenso wie er das Klavier geerbt hat. Er hat die beiden Dinge miteinander verknüpft. Er glaubt, seine Begabung zu verlieren, wenn er das Klavier verliert. Und das ist ein ernsthafteres Problem, als Sie sich vielleicht vorstellen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Aber Kinder kommen über solche Dinge leicht ...«
    »Er ist kein Kind, Mrs. Hatchell. Vielleicht sollte ich sagen, er ist nicht nur ein Kind. Er ist ein sensitives Wesen, das wir Genie nennen. Das ist ein heikler Zustand, der nur allzu leicht aus dem Gleichgewicht gerät.«
    Sie spürte, wie ihr Mund trocken wurde. »Was wollen Sie mir damit andeuten?«
    »Ich möchte Sie nicht grundlos beunruhigen, Mrs. Hatchell. Aber die Wahrheit ist die – und darin sind wir uns alle einig –, daß Ihr Junge, wenn man ihn seiner musikalischen Ausdrucksmöglichkeit beraubt, daß er ... sterben könnte.«
    Sie erbleichte. »Nein!«
    »So etwas kommt vor, Mrs. Hatchell. Natürlich haben wir gewisse therapeutische Möglichkeiten, doch bin ich mir nicht sicher, daß die Zeit ausreicht. Der Abflugtermin wird jeden Augenblick festgelegt, und eine Behandlung könnte Jahre dauern.«
    »Aber David ist ...«
    »David ist frühreif und überempfindlich. Er hat viel mehr in seine Musik hineingelegt, als zu empfehlen ist. Teilweise ist dies auf seine Blindheit zurückzuführen, doch darüber hinaus besitzt er ein äußerst starkes Bedürfnis, sich musikalisch mitzuteilen. Und in solchen Genies wie David ist dieses mit den elementaren Trieben vergleichbar.«
    »Wir können ihn nicht zurücklassen«, flüsterte sie. »Wir können es einfach nicht. Sie verstehen das nicht. Wir haben eine so enge Familiengemeinschaft, daß wir ...«
    »Dann sollten sie vielleicht zurücktreten und einer anderen Familie ...«
    »Das würde Walter umbringen – meinen Mann. Er hat für diese Chance gelebt.« Sie schüttelte den Kopf. »Außerdem bin ich nicht sicher, ob wir jetzt noch aussteigen können. Walters Assistent, Dr. Smythe, kam vorige Woche bei einem Helikopterabsturz in der Nähe von Phoenix ums Leben. Man hat bereits einen Ersatzmann für ihn gefunden, aber

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