Herrscher der Erde
ihnen nichts leid zu tun. Und machen Sie sich keine Sorgen. Der Junge ist erst zwölf. Die Zeit heilt alles.«
»Ich bin überzeugt, daß alles gutgehen wird.«
»Ausgezeichnet. Das ist die richtige Einstellung. Und Sie rufen mich an, wenn Sie Hilfe brauchen – ob bei Tag oder bei Nacht. Wir bilden eine Gemeinschaft. Wir müssen zusammenarbeiten.«
Sie beendeten das Gespräch. Margaret stand vor dem Visifon und starrte auf den leeren Bildschirm.
Rita, die am Küchentisch saß, fragte: »Was hat er vom Starttermin gesagt?«
»Er ist festgelegt worden, mein Liebling.« Margaret wandte sich um. »In acht Tagen müssen wir in White Sands bei Daddy sein.«
»Hurrraaa!« Rita sprang auf. »Wir fahren, wir fahren!«
»Rita!«
Aber Rita stürzte bereits aus der Küche, lief aus dem Haus. Im Vorzimmer hallte noch ihr: »Acht Tage!«
Margaret rief ihr vom Vorzimmer aus zu: »Rita!«
Ihre Tochter kam zurück. »Ich wollte es den Freunden mitteilen!«
»Du wirst dich sofort beruhigen. Du machst so viel Lärm, daß du ...«
»Ich habe sie gehört.« David stand am oberen Treppenabsatz. Er kam langsam herunter, indem er dem Geländer folgte. Sein Gesicht war weiß wie ein Laken, und in seinen Schritten lag ein ungewöhnliches Zögern.
Margaret schöpfte tief Atem und erzählte ihm dann von Dr. Charlesworthys Vorhaben.
David blieb zwei Stufen vor ihr mit gesenktem Kopf stehen. Als sie geendet hatte, sagte er: »Es ist nicht dasselbe.« Er ging um sie herum und in das Musikzimmer. In seiner Haltung lag unendliche Niedergeschlagenheit.
Margaret kehrte entschlossen in die Küche zurück. Sie hörte Ritas Schritte hinter sich und fragte, ohne sich umzudrehen: »Rita, um wieviel kannst du dein Gepäck erleichtern?«
»Mutter!«
»Wir nehmen das Klavier mit!« sagte Margaret bestimmt.
Rita trat an ihre Seite. »Aber die gesamte Familie darf nur hundertsechs Kilogramm mitnehmen. Wir ...«
»Wir sind insgesamt dreihundertacht Kolonisten.« Sie nahm einen Notizblock zur Hand und begann zu rechnen. »Wenn jeder nur zwei Kilogramm und zweiundsechzig Gramm opfert, können wir das Klavier mitnehmen!« Bevor sie noch ihren Entschluß bereuen konnte, nahm sie das Porzellanservice ihrer Mutter und stellte es in einen Schrank. »So. Ein Geschenk an die Leute, die unser Haus gekauft haben! Und das waren drei Pfund!«
Dann begann sie zu weinen.
Rita wurde ernst. »Ich werde alle meine Insekten zurücklassen«, flüsterte sie. Dann vergrub sie ihren Kopf im Kleid ihrer Mutter und begann ebenfalls zu schluchzen.
»Weshalb weint ihr?« fragte David von der Tür aus. Er hatte das Radarauge auf den Rücken geschnallt. Seine Gesichtszüge waren schmerzlich verzogen.
Margaret trocknete sich die Augen. »Davey ... David, wir werden versuchen, das Klavier mitzunehmen.«
Er hob den Kopf, und seine Züge entspannten sich für einen Augenblick. Dann kehrte seine Traurigkeit wieder zurück. »Sicher. Man wird ganz einfach etwas von Vaters Saatgut sowie einige Werkzeuge und wissenschaftliche Instrumente auf den Mist werfen, um für ...«
»Es gibt eine andere Möglichkeit.«
»Was für eine andere Möglichkeit?« Seine Stimme kämpfte gegen eine Hoffnung, die sich vielleicht nicht bewahrheiten würde.
Margaret erklärte ihren Plan.
»Betteln gehen?« fragte er. »Sollen wir die Leute bitten, ihre eigenen ...«
»David, es wird eine abweisende, fremdartige Welt sein, die wir kolonisieren werden, bar aller Bequemlichkeiten und Errungenschaften, die wir mit dem Begriff Zivilisation verknüpfen. Ein richtiges Klavier von der Erde und der ... Mann, der darauf spielen kann, würden da eine große Hilfe bedeuten. Es würde die richtige Stimmung schaffen und das Heimweh bekämpfen, das uns sicher befallen wird.«
Seine leeren Augen schienen sie für lange Sekunden anzustarren, ehe er sagte: »Das wäre eine schreckliche Verantwortung für mich.«
Sie fühlte, wie der Stolz ihres Sohnes auch sie durchflutete und sagte: »Ich bin froh, daß du es auf diese Weise siehst.«
Das Büchlein mit Anweisungen und Ratschlägen, das beim ersten Treffen in White Sands an sie verteilt worden war, enthielt auch die Namen und Adressen aller Kolonisten. Margaret begann am Anfang der Liste und rief Selma Atkins aus Little Rock an.
Mrs. Atkins war die Frau des leitenden Zoologen der Expedition. Sie war klein und dunkel und hatte ein heftiges Temperament. Es stellte sich heraus, daß sie die geborene Verschwörerin war. Ehe Margaret noch das ganze
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