Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
verstehen.
»Kein Urteil?«, fragte KanPaar belustigt. »Willst du nun vor dem fliehen, was du dir selbst erbeten hast?«
»Ich bin nicht hergekommen, um gerichtet zu werden, sondern um Informationen mitzuteilen.«
»Ich …«
»Ich rede nicht mit dir, KanPaar«, sagte TenSoon, wandte sich von dem Zweiten ab und schaute hoch. »Ich rede mit ihnen.«
»Sie haben deine Worte gehört, Dritter«, fuhr KanPaar ihn an. »Beherrsche dich! Ich werde es nicht zulassen, dass du dieses Gericht zu einer Zirkusveranstaltung machst, wie du es schon einmal getan hast.«
TenSoon lächelte. Nur ein Kandra würde eine milde Auseinandersetzung als »Zirkusveranstaltung« bezeichnen. Doch TenSoon wandte sich nicht von den Alkoven der Ersten Generation ab.
»Also«, sagte KanPaar, »wir …«
»Ihr!«, rief TenSoon und erreichte damit, dass KanPaar abermals verstummte. »Erste Generation! Wie lange wollt ihr noch in eurem bequemen Heim sitzen und so tun, als ob die Welt über euch nicht existiert? Glaubt ihr, die Gefahren gehen euch nichts an, wenn ihr sie einfach überseht? Oder glaubt ihr nicht mehr an eure eigenen Lehren?
Die Tage des Nebels sind gekommen! Nun fällt die Asche ohne Ende! Die Erde zittert und bebt. Ihr könnt mich verdammen,
aber ihr könnt mich nicht einfach übersehen! Die Welt wird bald untergehen! Wenn ihr wollt, dass es Überlebende gibt – welcher Gestalt auch immer –, dann müsst ihr handeln! Ihr müsst bereit sein! Denn es kann sein, dass ihr schon bald eurem Volk die Auflösung befehlen müsst!«
Es wurde still im Raum. Einige der Schatten dort oben regten sich, als ob sie aus der Fassung gebracht wären, obwohl Kandras für gewöhnlich nicht so reagierten. Es war zu unordentlich.
Dann ertönte eine Stimme von oben: sanft, kratzend und sehr müde. »Fahre fort, KanPaar.«
Diese Bemerkung kam so unerwartet, dass einige Zuhörer tatsächlich aufkeuchten. Die Erste Generation sprach nie in Gegenwart niederer Generationen. TenSoon verspürte keine Ehrfurcht. Er hatte sie gesehen und mit ihnen gesprochen, als sie noch nicht so überheblich gewesen waren, mit niemandem außer den Zweiten Umgang zu pflegen. Nein, er verspürte keinerlei Ehrfurcht. Er war nur enttäuscht.
»Mein Glaube an euch war unangebracht«, sagte er mehr zu sich selbst als zu den Ersten. »Ich hätte nicht zurückkehren sollen.«
»TenSoon aus der Dritten Generation«, sagte KanPaar und richtete sich auf. Sein kristalliner Wahrer Körper glitzerte, als er auf TenSoon deutete. »Du bist zur rituellen Einkerkerung von ChanGaar verurteilt worden. Du wirst geschlagen werden, bis jeder Knochen in deinem Körper gebrochen ist. Dann wirst du in eine Grube geworfen und eingemauert; man wird nur ein einziges Loch für deine tägliche Verpflegung lassen. Dort wirst du zehn Generationen verbleiben! Erst dann wirst du durch Verhungern hingerichtet werden! Wisse, dass deine größte Sünde die der Auflehnung war. Wenn du dich nicht vom Rat und der Weisheit dieser Kongregation entfernt hättest, hättest du es nicht für richtig befunden, den Ersten Vertrag zu brechen. Wegen
dir ist das Vertrauen gefährdet worden – und auch jeder einzelne Kandra jeder Generation!«
KanPaar wartete, bis sein Spruch im Raum verhallt war. TenSoon saß still auf seinen Hinterbeinen. Offensichtlich hatte KanPaar irgendeine Reaktion von ihm erwartet, aber TenSoon zeigte keine. Schließlich gab KanPaar den beiden Wachen neben TenSoon ein Zeichen, worauf sie ihre furchteinflößenden Hämmer hoben.
»Weißt du, KanPaar«, sagte TenSoon, »ich habe ein paar wichtige Dinge gelernt, während ich vor einem Jahr diese Knochen getragen habe.«
KanPaar wiederholte seine Geste. Die Wächter hoben die Waffen noch höher.
»Da ist etwas, worüber ich nie nachgedacht hatte«, sagte TenSoon. »Wenn man es recht bedenkt, sind Menschen nicht für große Geschwindigkeiten geschaffen – Hunde schon.«
Die Hämmer fielen nieder.
TenSoon machte einen Sprung nach vorn.
Die kraftvollen Hinterbeine des Hundes trugen ihn voran. TenSoon war ein Mitglied der Dritten Generation. Niemand hatte so lange wie er Körper gegessen und in sich aufgenommen, und er wusste genau, wie er die Muskeln in einem Körper verteilen musste. Außerdem hatte er ein Jahr damit verbracht, die Knochen eines Wolfshundes zu tragen, und er war gezwungen gewesen, mit seiner nebelgeborenen Herrin mitzuhalten. Er war ein ganzes Jahr lang von einer der begabtesten Allomantinnen ausgebildet worden, die die Welt
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