Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
eine Legende, die im wahren Leben nachgeahmt wird. Die Menschen glaubten an den Überlebenden von Hathsin, und so haben sie sich in den Zeiten der Not einen anderen Überlebenden geschaffen.«
Weher hob eine Braue. Sie standen im hinteren Teil einer Menschenmenge, die sich im Marktbezirk zusammengefunden hatte und auf die Ankunft des Ersten Bürgers wartete.
»Es ist faszinierend«, fuhr Sazed fort. »Das ist eine Fortentwicklung
der Legende vom Überlebenden, die ich nie erwartet hätte. Ich wusste, dass man ihn zum Gott machen würde – das war beinahe unausweichlich. Aber da Kelsier nur ein ›gewöhnlicher‹ Mensch war, können sich seine Anbeter vorstellen, dass auch andere Menschen in der Lage sind, seinen Status zu erlangen. «
Weher nickte abwesend. Allrianne stand neben ihm und wirkte recht verdrießlich, denn sie war gezwungen worden, diese scheußliche Skaa-Kleidung zu tragen.
Sazed beachtete das mangelnde Interesse der beiden nicht weiter. »Ich frage mich, wohin das noch führen wird. Vielleicht wird es für dieses Volk bald eine ganze Reihe von Überlebenden geben. Das könnte die Basis für eine Religion mit wirklicher Langzeitwirkung sein, denn sie könnte sich je nach den Bedürfnissen der Bevölkerung immer wieder neu erfinden. Natürlich bedeuten neue Überlebende auch neue Anführer — jeder mit anderen Meinungen. Im Gegensatz zu einer Abfolge von Priestern, welche den rechten Glauben befördern, könnte jeder neue Überlebende versuchen, sich von seinen Vorgängern abzugrenzen. Das wiederum könnte zu vielen Untergruppierungen und Abspaltungen bei den Gläubigen führen.«
»Sazed«, sagte Weher, »was ist bloß aus deinem Vorsatz geworden, keine Religionen mehr zu sammeln?«
Sazed hielt kurz inne. »Diese Religion gehört nicht zu meinem Sammelgebiet. Ich denke nur über ihre Möglichkeiten nach.«
Weher hob eine Braue.
»Außerdem«, meinte Sazed, »könnte es etwas mit unserer gegenwärtigen Mission zu tun haben. Falls dieser neue Überlebende wirklich eine reale Person ist, hilft er uns vielleicht, Quellion zu stürzen.«
»Oder er stellt für uns eine neue Herausforderung dar, sobald Quellion gestürzt ist«, bemerkte Allrianne.
»Das stimmt«, gab Sazed zu. »Wie dem auch sei, ich verstehe
nicht, warum Ihr Euch beschwert, Weher. War es nicht Euer Wunsch, dass ich mich wieder für Religionen interessiere?«
»Das war, bevor mir klarwurde, dass du den ganzen Abend und den nächsten Morgen darüber schwatzen würdest«, seufzte Weher. »Wo bleibt Quellion denn? Wenn ich wegen seiner Hinrichtungen das Mittagessen verpasse, werde ich sehr wütend.«
Hinrichtungen. In seiner Aufregung hatte Sazed beinahe den Grund ihres Hierseins vergessen. Sein Eifer flaute ab, und er erinnerte sich daran, warum Weher so ernst war. Der Mann redete zwar im Plauderton, aber sein Blick verriet deutlich seine Besorgnis darüber, dass der Erste Bürger unschuldige Menschen dem Flammentod überantwortete.
»Da«, sagte Allrianne und deutete auf die andere Seite des Marktes. Dort setzte irgendetwas die Menschen in Bewegung. Es war der Erste Bürger, der eine strahlend blaue Robe trug. Das war eine neue »erlaubte« Farbe – allerdings nur für ihn. Seine Ratgeber, die ihn umgaben, trugen Rot.
»Na endlich«, sagte Weher und folgte der Menge, als diese sich um den Ersten Bürger drängte.
Sazed ging hinter ihm her; seine Schritte waren zögerlich. Er verspürte das deutliche Verlangen, seine Truppen zur Verhinderung dessen einzusetzen, was gleich geschehen würde. Natürlich wusste er, dass das dumm wäre. Wenn er jetzt versuchte, einige wenige zu retten, würde es die Möglichkeit ruinieren, die gesamte Stadt zu retten. Seufzend folgte er Weher und Allrianne und bewegte sich im Einklang mit der Menge. Die Beobachtung dieser Morde würde ihn an seine drängenden Pflichten in Urteau erinnern. Die theologischen Studien konnten bis später warten.
»Du wirst sie umbringen müssen«, sagte Kelsier.
Spuki hockte still auf einem Gebäude in einem reicheren
Viertel Urteaus. Unter ihm näherte sich der Zug des Ersten Bürgers. Spuki beobachtete ihn durch seine verbundenen Augen. Es hatte ihn viele Münzen gekostet — fast alles, was er aus Luthadel mitgebracht hatte — um den Ort der Hinrichtungen rechtzeitig zu erfahren, so dass er sich vorher in Position begeben konnte.
Er sah die traurigen Geschöpfe, die Quellion zu töten beschlossen hatte. Viele von ihnen waren wie Fransohns Schwester: Personen,
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