Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
auch wenn man ihnen deshalb bisweilen Lügen erzählen musste. Das waren die Religionen für sie gewesen: Lügen, mit denen sich die Menschen besser fühlten.
Sazed hätte nicht genauso handeln können – zumindest wäre er dann nicht die Person geblieben, die er sein wollte. Doch jetzt hatte er Hoffnung. Die Religion von Terris hatte als Erste über den größten Helden aller Zeiten gepredigt. Wenn eine Religion Wahrheit enthielt, dann war es diese. Sazed musste die Erste Generation der Kandras befragen und herausfinden, was sie wusste.
Aber wenn ich die Wahrheit finde, was werde ich dann mit ihr anstellen?
Die Bäume, an denen sie vorbeikamen, besaßen keine Blätter
mehr. Die gesamte Landschaft war unter mindestens vier Fuß Asche begraben. »Wie schaffst du es nur, unter diesen Bedingungen weiterzulaufen?«, fragte Sazed, als der Kandra über einen Hügel galoppierte, dabei die Asche beiseiteschob und jedes Hindernis ignorierte.
»Mein Volk wurde aus den Nebelgeistern erschaffen«, erklärte TenSoon, der nicht einmal außer Atem war. »Der Oberste Herrscher machte die Ferrochemiker zu Nebelgeistern, und sie entwickelten sich als eigene Rasse weiter. Man füge eine Segnung hinzu, und schon erhalten sie ein Bewusstsein und werden zu Kandras. Jemand wie ich, der Jahrhunderte nach der Erhebung geschaffen wurde, wird zunächst als Nebelgeist geboren und erwacht, wenn er die Segnung erhält.«
»Die Segnung?«, fragte Sazed.
»Zwei kleine Metallstacheln, Bewahrer«, sagte TenSoon. »Wir sind auf dieselbe Weise geschaffen worden wie die Inquisitoren oder die Kolosse. Aber wir sind raffiniertere Schöpfungen als jene anderen. Wir wurden als Drittes und Letztes geschaffen, als die Kräfte des Obersten Herrschers bereits allmählich schwanden.«
Sazed runzelte die Stirn und beugte sich dicht über das Pferd, als es unter einigen skelettartigen Ästen herlief.
»Was ist anders an euch?«
»Wir haben einen freieren Willen als die anderen beiden«, sagte TenSoon. »Wir haben nur zwei Stacheln in uns, während die anderen mehr haben. Zwar kann ein Allomant auch über uns die Kontrolle ausüben, aber wenn wir frei sind, sind wir unabhängiger als die Kolosse oder die Inquisitoren, die beide von Ruins Impulsen beeinflusst werden, auch wenn er sie nicht unmittelbar kontrolliert. Hast du dich nie gefragt, warum beide einen so starken Tötungstrieb besitzen?«
»Das erklärt aber noch nicht, wieso du mich und unser gesamtes Gepäck tragen und durch diese Asche rennen kannst.«
»Die Metallstacheln, die wir in uns haben, gewähren uns bestimmte Dinge«, erklärte TenSoon. »So wie die Ferrochemie dir Stärke verleiht und die Allomantie Vins Kräfte vergrößert, machen mich meine Segnungen ebenfalls stark. Diese Stärke vergeht nie, aber sie ist nicht so spektakulär wie die Ausbrüche an Kraft, die ihr hervorrufen könnt. Dennoch erlaubt mir meine Segnung – zusammen mit meiner Fähigkeit, meinen Körper nach meinen Wünschen zu gestalten – ein hohes Maß an Ausdauer. «
Sazed schwieg. Sie galoppierten weiter.
»Uns bleibt nicht mehr viel Zeit«, bemerkte TenSoon.
»Das sehe ich«, erwiderte Sazed. »Ich frage mich, was wir tun können.«
»Jetzt ist der einzige Zeitpunkt, in dem wir etwas erreichen können«, sagte TenSoon. »Wir müssen wachsam und bereit zum Zuschlagen sein. Bereit, der Heldin aller Zeiten zu helfen, wenn sie erscheint.«
»Erscheint?«
»Sie wird eine Armee aus Allomanten in das Heimatland führen«, sagte TenSoon, »und dort wird sie uns alle retten: Kandras, Menschen, Kolosse und Inquisitoren.«
Eine Armee aus Allomanten? »Und was soll ich dabei tun?«
»Du musst die Kandras vom Ernst der Lage überzeugen«, erläuterte TenSoon und kam in der Asche zum Stehen. »Denn da gibt es etwas, das … sie tun müssen. Es ist sehr schwierig, aber unbedingt notwendig. Mein Volk wird sich dem widersetzen, aber vielleicht kannst du ihnen den Weg zeigen.«
Sazed nickte, kletterte von dem Kandra herunter und streckte die Beine.
»Erkennst du diesen Ort wieder?«, fragte TenSoon und sah ihn mit seinen Pferdeaugen an.
»Nein«, gab Sazed zu. »Bei all der Asche … ich weiß schon seit Tagen nicht mehr, wohin wir reiten.«
»Hinter dem Hügelkamm da vorn findest du den Ort, an dem das Volk von Terris sein Flüchtlingslager aufgeschlagen hat.«
Überrascht drehte sich Sazed um. »Die Gruben von Hathsin?«
TenSoon nickte. »Wir nennen es das Heimatland.«
»Die Gruben?«, wiederholte Sazed
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