Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
–, dass er sich nicht auf den Beinen halten konnte.
»Nicht gehen«, sagte die Stimme. Wo hatte er sie schon einmal gehört? Er vertraute ihr. »Krieche.«
Spuki gehorchte und kroch voran.
»Nein, nicht auf die Flammen zu! Du musst von hier fliehen, damit du diejenigen bestrafen kannst, die dir das angetan haben. Denk nach, Spuki!«
»Fenster«, krächzte er, wandte sich zur Seite und kroch auf eines zu.
»Zugenagelt«, sagte die Stimme. »Du hast das zuvor schon gesehen, von draußen. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit zu überleben. Du musst mir zuhören.«
Spuki nickte benommen.
»Verlass den Raum durch die andere Tür. Krieche auf die Treppe zu, die in den zweiten Stock führt.«
Spuki tat es und zwang sich, in Bewegung zu bleiben. Seine Arme waren so gefühllos, dass sie ihm wie Gewichte vorkamen, die jemand an seine Schultern gebunden hatte. Er hatte so lange Zinn verbrannt, dass gewöhnliche Sinne für ihn kaum mehr existierten. Er fand die Treppe und hustete heftig, als er sie erreichte. Das war wegen des Rauchs, sagte ihm ein Teil seiner Vernunft. Vermutlich war es gut, dass er kroch.
»Steh auf!«, sagte die Stimme.
Wo habe ich sie bloß schon einmal gehört?, dachte er erneut. Warum will ich unbedingt tun, was sie sagt? Sie war so nah. Er würde sie erkennen, wenn sein Verstand nicht so benommen wäre. Er gehorchte und zwang sich wieder auf Hände und Knie.
»Zweiter Raum links«, befahl die Stimme.
Spuki kroch, ohne nachzudenken. Flammen leckten die
Treppe hoch und flackerten an den Wänden. Seine Nase war schwach, wie seine anderen Sinne, aber er vermutete, dass das Haus mit Öl getränkt war. Auf diese Weise brannte es schneller und beeindruckender.
»Halt. Das ist das Zimmer.«
Spuki wandte sich nach links und kroch in den Raum. Es war ein gut eingerichtetes Arbeitszimmer. Die Diebe in der Stadt beklagten andauernd, dass ein Einbruch in ein Haus wie dieses nicht der Mühe wert war. Der Erste Bürger verbat Protzerei, und daher waren wertvolle Möbel unverkäuflich, sogar auf dem Schwarzmarkt. Niemand wollte erwischt werden, weil er sich Luxus gönnte, denn sonst endete man bei einer der Hinrichtungen in einem brennenden Haus.
»Spuki!«
Spuki hatte von diesen Hinrichtungen gehört. Er hatte nie eine gesehen.
Er hatte Durn dafür bezahlt, dass dieser nach der nächsten Ausschau hielt. Spukis Geld würde ihm eine rechtzeitige Warnung sowie einen guten Zuschauerplatz bei der Verbrennung sichern. Außerdem hatte Durn ihm noch einen weiteren Leckerbissen versprochen – etwas, woran Spuki sehr interessiert sein würde. Etwas, das sein Geld wert war.
Zähle die Schädel.
»Spuki!«
Spuki schlug die Augen auf. Er war zu Boden gestürzt und gerade dabei, bewusstlos zu werden. Die Flammen verzehrten bereits die Decke. Das Haus starb. Es gab für Spuki keine Möglichkeit herauszukommen – nicht in seinem gegenwärtigen Zustand.
»Geh zum Schreibtisch«, befahl die Stimme.
»Ich bin tot«, flüsterte Spuki.
»Nein, noch nicht. Geh zum Schreibtisch.«
Spuki drehte den Kopf und starrte die Flammen an. Eine Gestalt
stand in ihnen, eine dunkle Silhouette. Von den Wänden tropfte es herunter, sie warfen Blasen, zischten, Stuck und Farbe wurden schwarz. Doch dieser schattenhaften Gestalt schien das Feuer nichts auszumachen. Sie wirkte vertraut auf ihn. Sie war groß. Gebieterisch.
»Du …?«
»Geh zum Schreibtisch!«
Spuki kämpfte sich auf die Knie. Er kroch voran, zerrte seinen nutzlosen Arm hinter sich her und schleppte sich vor den Schreibtisch.
»Rechte Schublade.«
Spuki zog sie auf, lehnte sich gegen das Möbelstück, sackte zusammen. Etwas befand sich in der Schublade.
Phiolen?
Eifrig griff er nach ihnen. Sie waren wie die Phiolen, welche die Allomanten zum Auffüllen ihres Metallvorrats benutzten. Mit zitternden Fingern nahm Spuki eine an sich, doch sie entglitt ihm und zerbrach auf dem Boden. Er sah die Flüssigkeit an, die in ihr gewesen war – eine alkoholische Lösung, die ein Rosten der Metalle verhinderte und dem Allomanten half, sie hinunterzuschlucken.
»Spuki!«, sagte die Stimme.
Benommen packte Spuki eine weitere Phiole. Mit den Zähnen zog er den Korken hinaus und spürte dabei, wie das Feuer um ihn herum loderte. Die gegenüberliegende Wand war beinahe verschwunden. Das Feuer kroch auf ihn zu.
Er trank den Inhalt der Phiole, suchte dann in seinem Inneren nach Zinn. Aber da war keines. Verzweifelt schrie Spuki auf und ließ die Phiole fallen. Sie hatte kein
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