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Herrscher über den Abgrund

Herrscher über den Abgrund

Titel: Herrscher über den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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er doch nie wirklich an ihr mysteriöses Schatzhaus des Wissens geglaubt hatte –, das jedenfalls redete er sich ein.
    Als er dem Mädchen jedoch einen Blick zuwarf, bemerkte er kein Anzeichen schmerzlicher Enttäuschung. Im Gegenteil – sie betrachtete die Steintrümmer, als suchte sie nach der Möglichkeit eines Aufstiegs. Sie bewegte sich gewandt und eifrig, so als sei sie überzeugt, sich auf der rechten Spur zu befinden.
    „Ist das der Ort?“ fragte er.
    Fanyi hielt wiederum den Anhänger in der Hand. Langsam drehte sie sich, bis sie die Klippe im Rücken hatte und hinausschaute ins westliche Land.
    „Nein, nicht hier“, sagte sie bestimmt, „aber dort.“ Sie machte eine vage Bewegung in Richtung auf das dunkle Land vor ihr.
    Sander meinte, daß die Stadt, die über ihnen lag, wahrscheinlich auf ein Kap gebaut worden war, das sich weit in das nunmehr verschwundene Meer gereckt hatte, oder vielleicht auch auf eine Insel. Um die tatsächliche Küste der Vergangenen Zeit zu erreichen, mußten sie weiter nach Westen wandern.
    Sie brauchten Nahrung und Wasser. Ob sie eines von beiden zwischen den bizarren Ruinen finden würden, das bezweifelte der Schmied sehr. Er hielt es für das beste, wenn sie auf dem
    Meeresboden blieben und möglichst geradeaus auf das Frühere Land zuhielten.
    Vom Herannahen des Sturms, der sich bereits mit der kalten Brise ankündigte, hatte er nichts bemerkt. Nun tauchten aus dem Nichts in Sekundenschnelle Wolken auf, und der Wind wurde eisig, so daß sie sich unwillkürlich duckten.
    Die Tiere nahmen ihnen die Entscheidung ab. Blitzschnell hüpften sie den steil aufragenden Hang hinauf, der so etwas wie eine unregelmäßige Treppe bildete. Rhin folgte. Diese plötzliche Flucht der drei Begleiter wirkte beunruhigend, so daß Sander beschloß, ihnen ebenfalls zu folgen. Rhins Sinnesorgane waren sehr viel feiner als seine eigenen, und er war mehr als einmal durch den Geruchssinn oder das Gehör des Kojoten gerettet worden. Wenn Rhin also diesen Weg wählte, dann gab es dafür einen triftigen Grund.
    Die Tiere bewegten sich sicher über den tückischen Pfad. Sander und Fanyi, die jeder Windstoß beben ließ, mußten langsamer gehen. Viele Steinbrocken bewegten sich unter ihrem Gewicht, und einige wurden von der Gewalt des Sturms heruntergerissen. Aber endlich kletterten sie über einen letzten gefährlichen Überhang aus Trümmern und erreichten eine hügelige Wildnis. Aus jedem der Steinhügel ragten rostige Metallgerüste, die wahrscheinlich bei der geringsten Berührung zerfallen würden.
    Aber es gab auch Reste einer Vegetation: Weinreben, die im eisigen Wind hin und her geweht wurden, dürftige Grasflecken und sogar ein, zwei windzerzauste Bäume.
    Sanders erster Gedanke war, daß sie in sicherer Entfernung von den Trümmerhaufen bleiben sollten, die den Eindruck machten, als könnten sie jeden Moment zusammenstürzen. Vorsichtig, damit er nicht auf etwas trat, das sich unter seinem Gewicht bewegen würde, ging er Schritt um Schritt weiter. Fanyi folgte. Ein Vorteil war immerhin, daß zwischen den Hügeln der Wind nicht so heftig blies, so daß ihnen die Kälte nicht mehr ganz unerträglich und schneidend vorkam.
    Es begann zu regnen. Und der Regen war ebenso kalt wie der Wind. Er drang in ihre Kleider ein, klebte die Haare an den Kopf und schien ihren ganzen Körper mit einer hauchdünnen Eisschicht zu überziehen. Sander, der die Stürme der Ebenen kannte, hatte dergleichen noch nie erlebt.
    Der Wind stöhnte und heulte über ihren Köpfen. Und vielleicht war sein Ton deshalb so unheimlich, weil er durch Öffnungen in den Hügeln pfiff. Hin und wieder vernahmen sie lautes Krachen und Poltern, als risse er Steinbrocken los, die als Lawinen in die Tiefe stürzten. Als plötzlich einen Moment Windstille eintrat, hörte Sander das Bellen von Rhin.
    „Hier entlang …“ Er wandte sich nach dem Mädchen um. Aber seine Worte wurden von dem erneut sich erhebenden Wind fortgeweht. Er packte ihre Hand. Gemeinsam umrundeten sie einen der Erdwälle und erblickten vor sich eine Allee mit Bäumen, die jetzt vom Sturm erbarmungslos gezaust wurden.
    Sander stolperte auf die Bäume zu und weg von den heimtückischen Ruinen. Ihre Äste schützten sie ein wenig vor der Gewalt des Regens, – nicht viel allerdings. Ungeduldig lief ihnen Rhin voran, kehrte wieder zurück, lief wieder ein paar Schritte vorwärts und drängte sie zur Eile. Von den anderen beiden Tieren fehlte jede Spur.
    Unter den

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