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Herrscher über den Abgrund

Herrscher über den Abgrund

Titel: Herrscher über den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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auch bedauerte, keine genaueren Anhaltspunkte finden.
    Sander machte das weniger aus. Er mißtraute ihren Geschichten, da er sie für unmöglich hielt.
    Wenn er jagte, hielt er gleichzeitig Ausschau nach Metallen. Doch falls nach der Finsteren Zeit hier Metall gelegen haben sollte, war es längst von den Händlern fortgeschafft worden. Er stieß überdies auf Löcher, die so frisch aussahen, daß sie bestimmt nicht während der Katastrophe gegraben worden waren. Schon allein die Ausmaße des Trümmerfeldes waren erstaunlich. Wie viele Leute mochten hier gewohnt haben? Mehr jedenfalls, als irgendeine Horde zählte. Sander war Rhin zum Ufer eines Flusses gefolgt, der beinahe völlig von Steintrümmern zugeschüttet war. Er schien ins Meer zu münden, das jetzt weit entfernt und jenseits der Insel lag.
    Beide, Mensch und Tier, fürchteten sich vor dem Wasser, und einer hielt Wache, während der andere den Wassersack füllte. Aber Sander bemerkte keine Spur von Wasserbewohnern. Es gab Fische – einen fing er mit einer provisorischen Angel –, die aussahen wie Schlangen, so daß er seinen Fang rasch wieder ins Wasser warf. Er wußte, daß er nichts von dem schleimigen Fleisch essen könnte.
    Ganz in der Nähe des Flusses fand er einen Kopf aus Stein. Er hatte die Größe von zwei geballten Fäusten und war sehr alt. Es war der Kopf eines Vogels, dessen wilder, stolzer Blick Sander faszinierte. Er nahm ihn mit zum Lager, um ihn Fanyi zu zeigen, die sorgfältig die Steinmetzarbeit untersuchte.
    „Dies“, sagte sie bestimmt, „war das Zeichen der Macht eines Häuptlings. Es ist ein gutes Omen, daß du es gefunden hast.“
    Sander mußte beinahe laut lachen. „Omen sind nicht meine Sache, Zauberpriesterin. Das paßt nicht zu meinem Volk. Aber dies hier ist hervorragend gearbeitet. Wenn der, der es gefertigt hat, darin eine besondere Bedeutung sah, dann verstehe ich, weswegen er sich so große Mühe gegeben hat.“
    Sie schien ihn gar nicht gehört zu haben, denn ihr Gesicht hatte wieder den entrückten Ausdruck angenommen. „Es gab ein großes Haus“, sagte sie. „Sehr hoch – sehr, sehr hoch. Und das hier ist der Teil eines Vogels mit ausgebreiteten Schwingen. Über der Tür war der Vogel befestigt – und –“ Fanyi ließ den steinernen Kopf fallen und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, als wollte sie etwas fortwischen. „Er hatte eine Bedeutung“, wiederholte sie. „Es war das Totemtier eines großen Volkes und eines weiten Landes.“
    „Dieses Landes?“ Sander warf einen Blick auf die Erdhügel. „Wenn es tatsächlich ein Totemtier war, dann hat es aber am Ende doch versagt.“
    Langsam streckte Fanyi eine Hand aus und berührte den Kopf.
    „Aller Zauber hat in der Finsteren Zeit versagt, Schmied. Denn Land und Meer, Wind und Feuer wandten sich gegen den Menschen. Und was können Zaubermittel schon ausrichten gegen den Tod einer ganzen Welt?“ Sie hob den Kopf auf und stellte ihn auf einen Stein, so daß er nicht umfallen konnte. Dann beugte sie sich nieder.
    „Stammestier der Toten“, sagte sie leise, „wir bringen dir Verehrung entgegen. Wenn es noch einen Rest deiner Macht gibt, den wir rufen können, so schenke ihn uns. Denn wir gehören zu den Menschen, und Menschen haben dich als Symbol geschaffen, damit du ihre wichtigen Orte mit deiner Gegenwart schützest.“ Sie bewegte die Hände auf eine Weise, wie es Sander fremd war.
    Sollte Fanyi sich um unsichtbare Kräfte und um Totemtiere kümmern, er interessierte sich mehr für die Gegenwart. Und während er nochmals einen Blick auf den Fund warf, kam ihm der Gedanke, daß er ihn gern in Ton einbetten würde, um die Hohlform anschließend mit Kupfer auszugießen. So würde er ein Symbol haben, das ihn mit der Vergangenheit verband. Aber der Kopf war zu schwer, als daß sie ihn hätten mitnehmen können. Besser war, er behielt die Metallstückchen, die er auf dem Schiffswrack gefunden hatte.
    Er wurde jetzt ungeduldig. Sie hatten sich lange genug hier aufgehalten, ihre Vorräte ergänzt, denn er hatte einen Teil des Fleisches über dem Feuer getrocknet, und es würde wenig nützen, wenn sie noch länger blieben.
    „Dein Führer – dieses Ding, das du trägst“, sagte er zu dem Mädchen, „wohin zeigt es nun?“
    Wieder wandte sie sich nach Nordwesten. Doch wenn sie in diese Richtung laufen wollten, mußten sie durch die Ruinen der Stadt wandern. Er würde sich freier und sicherer fühlen, wenn sie nach Westen zogen. Er glaubte,

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