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Herrscher

Herrscher

Titel: Herrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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spät. Der Pfeil war längst abgeschossen: Jetzt konnte sie nur noch abwarten, wo er einschlug.
    Im Morgengrauen wurde sie von einem Ork in Kenntnis gesetzt, dass die schwarz gekleideten Washavoki die Kaserne verließen. Dar lugte zur Tür hinaus, doch es schneite so stark, dass sie den Abmarsch weder sah noch hörte. Trotzdem vertraute sie den schärferen Sinnen des Orks. Diese Entwicklung steigerte ihre Besorgnis: Sie befürchtete, dass dies ein Zeichen dafür war, dass etwas anders ablief als erwartet.
    Als das erste Licht den Himmel erhellte, war Dar der Panik nahe. Trotzdem versuchte sie, einen gelassenen Eindruck zu machen, als Magtha-jan und Nagtha-yat sich vorbereiteten, Kovok-mah und Zna-yat abzulösen. Magtha-jan war ausgewählt worden, weil er ein erfahrener Leibwächter war. Nagtha-yat verstand, was die Washavoki sagten.
Beide Orks wussten von der Gefährlichkeit ihrer Mission. Die Leibwächter hatten Dar erzählt, dass Girta stets lange schlief. Deswegen nahm sie an, dass man die Königin – wenn diese erfahren hatte, in welcher Gefahr sie schwebte – in den Palast zurückbringen konnte, bevor ihr Verschwinden auffiel. Misslang dieser Plan, würde dies böse Konsequenzen haben. Deswegen schickte Dar die beiden Orks im Morgengrauen nur schweren Herzens und unter vielen Vorbehalten los.
    Der Schneesturm, der in der Nacht getobt hatte, setzte sich unvermindert fort. Taiben war im Schneegestöber nicht mehr zu sehen. Dar erhielt auch keine Meldung, ob die Orks das Stadttor passiert hatten. Sie wartete ängstlich auf Nachrichten. Endlich erspähte man zwei Gestalten. Dar musste sich zusammenreißen, um ihnen nicht entgegenzurennen. Sie und Nir-yat schlüpften in ihre Hemden, da sie hofften, einen königlichen Gast in Empfang zu nehmen. Dars Herz klopfte wild, als das Tor aufging und Kovok-mah und ihr Bruder das Gelände betraten.
    »Habt ihr sie?«, fragte Dar.
    »Hai, Muth Mauk«, erwiderte Kovok-mah.
    Seine Stimme klang irgendwie beunruhigt. Als Dar in seine Augen schaute, wirkte er wie jemand, der sich schämt. »Lasst sie schnell frei.«
    Unter Kovok-mahs schneebedecktem Umhang wölbte sich ein so auffälliger Buckel, dass Dar sich kaum vorstellen konnte, wie es ihm gelungen war, an der Torwache vorbeizukommen. Als der Umhang fiel, enthüllte er die an seinen Rücken geschnallte Girta. Sie war in Stoff gehüllt und mit einem Seil umwickelt. Zna-yat legte das Bündel vorsichtig auf den Boden, löste das Seil und enthüllte die eingewickelte Gefangene.

    Dar erkannte das Ausmaß ihrer Blamage mit einem Blick. Königin Girta saß gefesselt und geknebelt auf dem Stoff, der sie bisher gefangen gehalten hatte. Sie zitterte in ihrem dünnen Nachthemd, und ihre nackten Füße waren blau vor Kälte. Unfähig, etwas zu sagen, schaute sie sich mit wilden Blicken um. In ihrem Entsetzen und ihrem Zorn ähnelte sie einem gefangenen Tier.
    Was habe ich da nur angerichtet?, dachte Dar, die den Grund von Kovok-mahs Scham nun begriff. Damit Girta sie verstand, sagte sie in der Menschensprache zu ihm: »Macht sie los und sorgt dafür, dass es ihr gut geht.«
    Kovok-mah befreite Girta zuerst von dem Knebel. Als er ihre Hand- und Fußfesseln löste, sagte sie mit schriller Stimme: »Wie könnt ihr es wagen … !«
    »Ich habe es für dein Wohlergehen getan«, sagte Dar.
    »Lüg mich nicht an! Wenigstens das kannst du mir ersparen !«
    »Ich muss mit dir reden. In Kols Anwesenheit kann ich es nicht tun.«
    »Deswegen hast du deine Bestien geschickt, um … um …«
    »Hör zu, Girta! Othar lebt. Er unterstützt Kol.«
    »Lügnerin! Lügnerin! Dreckige verlogene Metze!«
    Girtas Hysterie überzeugte Dar, dass es sinnlos war, jetzt mit ihr zu diskutieren. Freundlichkeit war aber sicher sehr angebracht. Sie reichte Girta ihren dicken wollenen Umhang. »Du bekommst gleich wärmere Kleider. Bis dahin zieh das hier an.«
    Als Dar sich vorbeugte, um Girtas Schultern zu verhüllen, holte die Königin aus und zerkratzte ihre Wange. Die Orks reagierten sofort und stürzten vor. Bevor sie Girta jedoch packen konnten, rief Dar: »Gav!« Halt! Die Orks verharrten, dann nahmen sie zögernd Platz. Dar betastete ihr
Gesicht. Ihre Finger waren blutig. »Ich habe diese Mutter verletzt«, sagte sie auf Orkisch. »Sie ist einfach nur wütend. «
    Die Reaktion der Orks hatte Girta noch mehr Angst eingejagt. Sie machte sich klein und zog Dars Umhang eng um sich. Sie zitterte noch immer, doch Dar bezweifelte, dass es an der Kälte lag. »Tut mir

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